Index
L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art137 / AllgLeitsatz
Stattgabe der Klage auf Auszahlung einer zuerkannten, zur Begleichung eines offenen Mietzinses jedoch nicht ausbezahlten Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz; Direktüberweisung der - neben der Mietbeihilfe zuerkannten - richtsatzgemäßen Geldleistung an den Vermieter nicht gesetzmäßig; keine Doppelliquidation des Sozialhilfeanspruches; teilweise Stattgabe des Zinsenbegehrens; KostenzuspruchSpruch
1. Das Land Wien ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Rechtsvertreters den Betrag von EUR 258,69 samt 4 vH Zinsen seit 21. Februar 2004 sowie die mit EUR 229,15 bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
2. Die Klage zu A12/04 wird zurückgewiesen.
Kosten werden insoweit nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - damals MA 15A - vom 5. Februar 2004 wurden dem Kläger nach dem Wiener Sozialhilfegesetz - WSHG, LGBl. Nr. 11/1973 idgF, für den Zeitraum 5. Februar bis 4. März 2004 folgende Geldleistungen zuerkannt:
Richtsatz EUR 788,93 und
Mietbeihilfe EUR 256,65,
sodass sich eine Geldaushilfe in Höhe von EUR 1045,60 (gerundet) ergab.
Von diesem Betrag überwies das beklagte Land (MA 15A) EUR 515,34 zur Begleichung des vom Kläger noch nicht bezahlten Mietzinses für Februar 2004 direkt an den Vermieter. Lediglich der Restbetrag (EUR 530,24) wurde dem Kläger bar ausbezahlt.
Die zu A3/03 protokollierte, auf Art137 B-VG gestützte Klage begehrt, das Land Wien schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von EUR 258,69 samt 4 vH Zinsen seit 6. Februar 2004 sowie die Kosten dieses Rechtsstreites binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu zahlen. Dieses Leistungsbegehren betrifft den Unterschiedsbetrag zwischen dem direkt an den Vermieter überwiesenen Betrag (EUR 515,34) und der dem Kläger (mit dem vorhin genannten Bescheid) zuerkannten Mietbeihilfe (EUR 256,65). Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Direktüberweisung - auch - eines Teiles des zuerkannten Richtsatzes an den Vermieter sei ohne jede gesetzliche Grundlage erfolgt.
2. Mit einer weiteren - zu A12/04 protokollierten - Klage wird begehrt, das Land Wien schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von EUR 258,65 samt 4 vH Zinsen seit 18. April 2004 sowie die Kosten dieses Rechtsstreites binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen. Diese Klage nimmt Bezug auf den schriftlichen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - damals MA 15 - vom 8. April 2004, mit welchem dem Kläger für denselben Zeitraum (5. Februar bis 4. März 2004) eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in derselben Höhe von EUR 1045,60 gewährt worden ist. Gegenstand dieses Bescheides ist - wie sich aus seinem Spruch ergibt - auch ein Antrag des Klägers "vom 6.2.2004 auf Überweisung des mit mündlich verkündeten Bescheid vom 5.2.2004 zuerkannten Sozialhilfebetrages in Höhe von € 258,65 (lt. Herrn J) auf sein Konto". Der zuerkannte Betrag setzte sich zusammen aus einem Richtsatz (EUR 788,93) sowie einer Mietbeihilfe (EUR 256,65).
3. Die beklagte Partei erstattete jeweils eine Gegenschrift, worin sie dem Klagsvorbringen entgegentritt und die kostenpflichtige Klagsabweisung beantragt.
Der Kläger erstattete dazu jeweils eine Replik.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Klagssache A3/04:
1. Die zu A3/04 erhobene Klage ist zulässig (vgl. VfGH 10. Juni 2003, A3/03, Slg. 16.858 mwN).
2. Gemäß §11 Abs2 WSHG kann der persönliche Lebensbedarf nicht nur durch Geldleistungen, sondern auch durch Sachleistungen gesichert werden. Dieser Form der Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist es gleichzuhalten, wenn das Land als Träger der Sozialhilfe Geldleistungen nicht dem Hilfesuchenden, sondern an Dritte auszahlt, um die zweckentsprechende Verwendung der zuerkannten Geldleistungen sicherzustellen (vgl. VfGH 9. Juni 2004, A16/03; 28. September 2004, A13/04).
2.1. Der Kläger stellt eine "zweckentsprechende" Verwendung der ihm gewährten Geldleistungen insoweit in Abrede, als der direkt an seinen Vermieter überwiesene Betrag den für den Unterkunftsaufwand bescheidmäßig zuerkannten Betrag übersteigt. Das beklagte Land hingegen bestreitet, dass sich aus dem WSHG eine "Zweckbindung" der Verwendung der einzelnen Teile der zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuerkannten Geldleistung ergebe; vielmehr sei "der gesamte zuerkannte Betrag zur Deckung des gesamten Bedarfes zu verwenden".
2.2. Diese Auffassung des beklagten Landes steht in Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, A1/04):
Wie sich nämlich aus §13 Abs3 WSHG ergibt (und in §13 Abs6 WSHG ausdrücklich festgestellt wird), ist der Aufwand für die Unterkunft des Hilfesuchenden nicht durch den Richtsatz gedeckt, sondern "durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist" (vgl. auch VwGH 30. Mai 2001, 2000/11/0015; 15. September 2003, 2003/10/0059; 24. November 2003, 2003/10/0050).
Die (nicht im Zuerkennungsbescheid verfügte) Direktüberweisung des Mietzinses an den Vermieter des Klägers ist somit insoweit nicht als eine dem Gesetz entsprechende Vollziehung dieses Bescheides anzusehen, als der an den Vermieter überwiesene Betrag die dem Kläger für den Mietzins gewährte Beihilfe überstieg (und daher zu Lasten jener sonstigen Bedürfnisse des täglichen Lebens ging, die nach dem Gesetz mit Geldleistungen im Rahmen des Richtsatzes zu decken sind). Die dadurch bewirkte - faktische - Kürzung der richtsatzgemäßen Geldleistung entbehrt auch unter den vom beklagten Land ins Treffen geführten Umständen der gesetzlichen Grundlage.
2.3. Dadurch kommt es auch zu keiner "Doppelzahlung" (im Sinne einer Doppelliquidation des öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeanspruchs des Klägers), wie das beklagte Land in seiner Gegenschrift meint: Der dem Kläger bescheidmäßig zuerkannte Sozialhilfeanspruch wurde im Umfang des Klagebegehrens bisher überhaupt nicht liquidiert. Das beklagte Land hat vielmehr in der irrtümlichen Annahme, auch damit den Sozialhilfeanspruch des Klägers zu erfüllen, an einen Dritten geleistet. Dadurch hat es zwar den Kläger von einer zivilrechtlichen Schuld befreit; auch kommt dem Land in diesem Umfang ein Ersatzanspruch gegen den Kläger zu (zur möglichen Rechtsgrundlage des §1431 ABGB in solchen Fällen vgl. etwa P. Bydlinski, Zivilrechtsfragen bei Zahlung auf ein nicht autorisiertes Gläubigerkonto, ÖBA 1995, 599). Das Recht des Klägers auf ordnungsgemäße Liquidierung seines Sozialhilfeanspruchs bleibt davon aber unberührt.
2.4. Das auf gesetzmäßige Liquidierung der bescheidmäßig zuerkannten Leistung gerichtete Hauptbegehren besteht somit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
3. Wenn das Gesetz - wie hier - nichts Gegenteiliges bestimmt, sind nach der ständigen, mit dem Erkenntnis VfSlg. 28/1919 beginnenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (zB VfGH 10. Juni 2003, A3/03, Slg. 16.858 mwN).
Da der Kläger das beklagte Land mit Schreiben vom 6. Februar 2004 (beim beklagten Land am selben Tag eingelangt) aufgefordert hat, den eingeklagten Betrag binnen vierzehn Tagen auf das vom Kläger bekanntgegebene Bankkonto zu überweisen, befand sich das beklagte Land erst nach Ablauf der vom Kläger eingeräumten - angemessenen (VfGH 10. Juni 2003, A3/03, Slg. 16.858) - Zahlungsfrist in Verzug. Verzugszinsen waren sohin nicht im Sinne des Klagebegehrens schon ab 6. Februar 2004, sondern erst ab 21. Februar 2004 zuzusprechen.
4. Die dem Kläger gebührenden Kosten waren gemäß §41 iVm §35 Abs1 VfGG und §41 Abs2 ZPO nach dem RATG, BGBl. Nr. 189/1969 idgF, auszumessen. Die Klage war gemäß TP3 C mit EUR 86,80 zu honorieren. In den zugesprochenen Kosten sind 120 vH Einheitssatz (§23 Abs6 RATG; vgl. VfSlg. 15.839/2000) sowie Umsatzsteuer in Höhe von EUR 38,19 enthalten.
B. Klagssache A12/04:
1. Wie das beklagte Land in seiner Gegenschrift - unbestritten - dargelegt hat, handelt es sich beim Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8. April 2004 lediglich um die schriftliche Ausfertigung des - dem Verfahren A3/04 zugrunde liegenden - mündlich verkündeten Bescheides vom 5. Februar 2004. Die zu A3/04 und zu A12/04 erhobenen Klagen begehren somit die Zahlung ein und desselben Betrages.
Die - nach Erhebung der Klage zu A3/04 eingelangte - Klage zu A12/04 war daher wegen des Prozesshindernisses der Streitanhängigkeit (§233 Abs1 ZPO, §35 Abs1 VfGG) zurückzuweisen.
2. Kosten waren - schon - deshalb nicht zuzusprechen, weil das beklagte Land Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (zB VfSlg. 16.486/2002 mwN).
C. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
Sozialhilfe, VfGH / Klagen, VfGH / Kosten, Zivilrecht, BereicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:A3.2004Dokumentnummer
JFT_09958870_04A00003_00