RS Vfgh 1994/6/22 B836/94, B844/94, B909/94, B937/94, B984/94

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Veröffentlicht am 22.06.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §85 Abs2
AsylG 1991 §7 Abs1

Leitsatz

Stattgabe (bzw Abweisung) von Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für Beschwerden gegen abweisliche Asylbescheide; Vollzugstauglichkeit der angefochtenen Bescheide im Sinne des §85 VfGG gegeben; Verlängerung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 als Rechtswirkung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für rechtzeitig, dh innerhalb der einwöchigen Frist des AsylG 1991 gestellte Anträge; damit Aufschub der Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes und Unzulässigkeit einer Ausweisung; unverhältnismäßiger Nachteil angesichts der nach Erlassung des negativen Asylbescheides durch Hinzutreten weiterer, nicht ausreichend effektiv bekämpfbarer Rechtsakte bestehenden Möglichkeit einer Ausweisung; Abweisung der Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nicht rechtzeitig gestellten Asylanträge mangels Bestehen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung

Rechtssatz

Einer Beschwerde kann nur dann aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn es denkbar ist, daß der angefochtene Bescheid irgendwelche - für den Beschwerdeführer nachteilige - Rechtswirkungen entfaltet, deren Eintritt aufgeschoben werden kann; wenn also die Rechtsposition des Beschwerdeführers günstiger sein könnte, würde die rechtliche Existenz des Bescheides weggedacht. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kann keine für den Beschwerdeführer positiven Rechtsfolgen nach sich ziehen, die weiter gehen als jene, die mit der nachfolgenden potentiellen Aufhebung des bekämpften Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof verbunden wären.

Ein den Asylantrag negativ erledigender Berufungsbescheid ist einem "Vollzug" iSd §85 Abs2 VfGG jedenfalls dann zugänglich, wenn mit der Erlassung dieses Bescheides eine bis dahin bestandene vorläufige Aufenthaltsberechtigung erlischt, also jedenfalls dann, wenn der Asylwerber den Asylantrag fristgerecht iS des §7 Abs1 AsylG 1991 gestellt hat und er gemäß §6 AsylG 1991 eingereist ist.

Soweit fraglich ist, ob der Asylwerber gemäß §6 AsylG 1991 nach Österreich eingereist ist, führt eine - unter dem Gesichtspunkt der Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes vorzunehmende - verfassungskonforme Auslegung dazu, daß der Verfassungsgerichtshof vom Vorbringen des Asylwerbers auszugehen hat.

In der Regel bewirkt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sohin die Fortdauer der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach §7 Abs1 AsylG 1991 und damit insbesondere den Aufschub der Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes sowie die vorläufige Unzulässigkeit einer Ausweisung iS des §17 FremdenG (s. §9 Abs1 AsylG 1991).

Die Bestimmungen des FremdenG (insbesondere §17, §18, §22, §27 und §54 in ihrer Zusammenschau gelesen) schließen nicht aus, daß ein Asylwerber nach Erlassung des negativen Asylbescheides (womit der Verlust der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung verbunden ist) durch Hinzutreten weiterer, für sich aber nicht ausreichend effektiv bekämpfbarer Rechtsakte in einen Staat ausgewiesen wird, in dem er Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, ehe allfällige von ihm relevierte Fehler des negativen Asylbescheides vom Verfassungsgerichtshof aufgegriffen werden können. Solange das Gesetz solche Folgen nicht zweifelsfrei ausschließt, muß davon ausgegangen werden, daß die durch den negativen Asylbescheid eintretenden Wirkungen für den beschwerdeführenden Asylwerber einen unverhältnismäßigen Nachteil bedeuten.

Sofern der Asylantrag nach Ablauf der einwöchigen Frist des §7 Abs1 AsylG 1991 gestellt wurde und diese Verspätung derart offenkundig ist, daß sie vom Verfassungsgerichtshof bei Beschlußfassung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres zu erkennen ist, hat der Gerichtshof davon auszugehen, daß diesfalls die Gewährung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtsfolge des Weiterbestehens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung mit sich bringen könnte, da eine solche nach dem zuvor Gesagten gar nicht bestanden hat.

Allfällige sonstige Rechtswirkungen (zB Enden der Betreuung nach dem BundesbetreuungsG, BGBl. 405/1991) sind nicht derart, daß mit deren Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende, Asylrecht, Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B836.1994

Dokumentnummer

JFR_10059378_94B00836_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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