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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Prostitutionsverordnung mangels ausreichender Darlegung der rechtlichen Betroffenheit der Lokalmieterin eines Swingerclubs und einer Bewohnerin der Verbotszone sowie mangels genauer Bezeichnung der bekämpften VerordnungsstellenSpruch
I. Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiterinnen die kostenpflichtige Aufhebung der Verordnung Nr. 156 des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004, mit der die Anbahnung und Ausübung der Prostitution sowie die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, innerhalb des in §1 der Verordnung festgelegten Geltungsbereichs verboten und mit Strafe bedroht werden.
1.2. Zur Begründung der Zulässigkeit des von ihnen gestellten Antrags gemäß Art139 Abs1 B-VG bringen die beiden Antragstellerinnen lediglich vor, dass "mit der Verordnung des Bürgermeisters, Nr. 156, vom 09.06.04 eine Verordnung über die Beschränkung der Anbahnung und Ausübung der Prostitution in Teilen des Gemeindegebietes erlassen [wurde], die nach deren §4 am 16.06.04 in Kraft trat und somit für die Bf.innen unmittelbar wirksam wurde, ohne daß es eines Bescheides bedurfte". Durch diese Verordnung erachten sich die Antragstellerinnen beschwert, da "die bekämpfte Verordnung in unzulässiger Weise in ihre Privatautonomie eingreift".
2.1. Die Erstantragstellerin ist - nach eigenen Angaben - Mieterin eines im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 156 des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004 gelegenen Gastronomielokals, das über einen eigenen Parkplatz verfügt, der sowohl von der B 8, als auch von einer Seitengasse aus erreichbar ist, "ohne daß eine Verkehrsvorschrift entgegensteht oder Anrainer belästigt werden könnten".
Wörtlich führt die Erstantragstellerin Folgendes aus:
"§2 des nö Prostitutionsgesetzes, LGBl. 4005, definiert in seinem §2, daß unter 'Anbahnung' ein 'Verhalten in der Öffentlichkeit...' [zu verstehen ist], wogegen der §2 der bekämpften Verordnung eine derartige, gesetzlich vorgegebene Einschränkung nicht enthält, weshalb die bB ihre Kompetenz rechtswidrigerweise überschritten hat.
[...]
Das überschießende Kennzeichnungsverbot in der bekämpften Verordnung erweist das Bemühen der Gemeinde, Prostitution einfach aus dem Gemeindegebiet, koste es, was es wolle, aus nicht nachvollziehbaren Gründen fernzuhalten. Bislang ist nicht dargetan, worin die von §5 Abs1 des zit. Landesgesetzes definierten Beschränkungsgründe gelegen sein sollen; zeitliche solche, die das Gesetz vorsieht, fehlen gänzlich.
Die Erst-Bf.in ist dadurch (auch) in ihrer Erwerbsfreiheit verletzt, wenngleich sie einem gesetzmäßigen Anbahnungsverbot, d.h. in der Öffentlichkeit, nicht entgegentritt."
2.2. Aus der Äußerung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 16. September 2004 ergibt sich, dass die Erstantragstellerin laut Auszug aus dem Gewerberegister am Standort Hauptstraße 277, 2231 Strasshof an der Nordbahn, die Berechtigung hat, einen Barbetrieb iSd §111 Abs1 Z2 Gewerbeordnung 1994 zu führen sowie selbständige Begleitpersonen und Personen für Unterhaltung und Fotomodelle zu vermitteln.
3. Die Zweitantragstellerin wohnt - nach eigenen Angaben - im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 156 des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004; sie erachtet sich in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK "in Form des Geschlechtslebens" verletzt.
Wörtlich führt die Zweitantragstellerin dazu Folgendes aus:
"Sie ist als Wirtschaftstreibende zeitmäßig äußerst eingeschränkt und hat sich daher entschlossen, auf 'Balzrituale' (...) weitestgehend zu verzichten und sich der Dienste von Männern zu bedienen, die ihre einschlägigen Dienste auch kurzfristig anbieten, vor allem aber, die Zweit-Bf.in - aufgrund des eingeschränkten Zeithorizonts - in ihrer Wohnung zur Leistungserbringung aufsuchen.
Durch die bekämpfte Verordnung, die - den Vorgaben des §5 Abs1 des zit. Landesgesetzes zuwider - keine Einschränkung auf Gewerbebetriebe enthält, setzt sich die Zweit-Bf.in einer Strafbarkeit aus, da sie nicht gedenkt, ihr Privatleben irgendwelchen mißglückten, weil (grund)rechtswidrigen, Verordnungen zu opfern."
4. Die Antragstellerinnen erachten sich durch diese Verordnung beschwert, da diese in unzulässiger Weise in ihr Privatleben eingreife. Die Erstantragstellerin werde darüber hinaus durch die bekämpfte Verordnung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt; die Zweitantragstellerin hingegen macht eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens "in Form des Geschlechtslebens" geltend.
5. Die angefochtene, auf §5 Abs1 des NÖ Prostitutionsgesetzes, LGBl. 4005-1, gestützte Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004 bis zum 24. Juni 2004, lautet:
"VERORDNUNG Nr. 156
des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn vom 9. Juni 2004 über ein Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution sowie der Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird:
Auf Grund des §5 Abs1 des NÖ Prostitutionsgesetzes, LGBl 4005-1, wird verordnet.
§1
Diese Verordnung gilt für folgenden Teil des Gemeindegebiets von Strasshof an der Nordbahn:
1. Südlich bzw. südöstlich der Hauptstraße (LB 8): In einem Streifen von 300 m Breite parallel zur Hauptstraße, beginnend mit der Deutsch Wagramer Straße, endend mit der Gemeindegrenze zur Stadtgemeinde Gänserndorf.
2. Nördlich bzw. nordwestlich der Hauptstraße (LB 8): Im gesamten Bereich zwischen der Hauptstraße und dem Areal der Nordbahn einschließlich aller Nebenanlagen entsprechend der Ausweisung der Eisenbahnanlagen im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, soweit diese Grundflächen als Bauland-Wohngebiet oder Bauland-Kerngebiet gewidmet sind.
3. Im gesamten übrigen Gemeindegebiet: In einem Umkreis von 300 m um Kindergärten, Schulen, Kirchen und andere öffentliche Gebäude.
§2
Die Anbahnung und Ausübung der Prostitution sowie die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, ist innerhalb des in §1 festgelegten Geltungsbereichs dieser Verordnung verboten.
§3
Wer die Prostitution entgegen §2 anbahnt oder ausübt oder Gebäude kennzeichnet, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird nach §6 des NÖ Prostitutionsgesetzes bestraft.
§4
Diese Verordnung tritt am 16.6.2004 in Kraft."
6. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn erstattete eine Äußerung, in der er den Bedenken der Antragstellerinnen entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags begehrt.
Darüber hinaus stellte der Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn den Antrag, den Antragstellerinnen zur ungeteilten Hand aufzutragen, der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn als Rechtsträgerin der verordnungserlassenden Behörde Kosten in der Höhe von € 1.800,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen: Im vorliegenden Fall erscheine die Beiziehung eines Rechtsanwalts aufgrund der Komplexität der Angelegenheit und des Umstands, dass das Gemeindeamt über keine rechtskundigen Bediensteten verfüge, für die zweckentsprechende Verfolgung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich. Ein solcher Kostenersatz komme in Verfahren gemäß Art139 B-VG der Literatur zufolge insbesondere für "kleine" Behörden (ausnahmsweise) in Betracht.
7. Die niederösterreichische Landesregierung hat die Verordnungsakten vorgelegt und ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken der Antragstellerinnen entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags begehrt.
8. Die Antragstellerinnen erstatteten dazu eine - am 29. November 2004 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte - Replik.
II. Der Antrag ist nicht zulässig:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).
2. Dem Antragsvorbringen ist in keiner Weise zu entnehmen, aus welchen Gründen die angefochtene Verordnung unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen eingreift.
2.1. Die Tatsache, dass die Erstantragstellerin Mieterin eines im räumlichen Geltungsbereich der angefochtenen Verordnung gelegenen Gastronomielokals ist, vermag für sich alleine einen unmittelbaren Eingriff in ihre Rechtssphäre nicht darzutun, zumal die Erstantragstellerin selbst überhaupt nicht ausführt, für welche Zwecke sie das Objekt verwendet bzw. zu verwenden beabsichtigt. Selbst unter Zugrundelegung der Äußerung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, wonach die Erstantragstellerin laut Auszug aus dem Gewerberegister eine Berechtigung hat, einen Barbetrieb iSd §111 Abs1 Z2 Gewerbeordnung 1994 zu führen sowie selbständige Begleitpersonen und Personen für Unterhaltung und Fotomodelle zu vermitteln, lässt sich daraus nichts gewinnen, da ein solcher Barbetrieb nicht in den Anwendungsbereich der angefochtenen Verordnung fiele und die von der Erstantragstellerin behauptete Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit daher in keiner Weise nachvollziehbar ist.
Die Erstantragstellerin verkennt überdies, dass das in §2 der angefochtenen Verordnung geregelte Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution - den verba legalia des §2 NÖ Prostitutionsgesetz entsprechend - lediglich ein Verhalten in der Öffentlichkeit pönalisiert, das die Absicht erkennen lässt, die Prostitution ausüben zu wollen, zumal das in §2 der bekämpften Verordnung normierte Kennzeichnungsverbot nur so zu verstehen ist, dass es gerade für Gebäude innerhalb der "Verbotszone" gilt, in denen - unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen - die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird.
2.2. Ebenso liegt kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Zweitantragstellerin vor, die durch die bekämpfte Verordnung nicht dazu verhalten wird, "ihr Privatleben [...] zu opfern", da das in §2 der Verordnung enthaltene Verbot - wie bereits dargelegt - lediglich die Anbahnung und Ausübung der Prostitution in der Öffentlichkeit umfasst.
2.3. Dem in §57 Abs1 VfGG enthaltenen Erfordernis, in einem Antrag, der von einer Person gestellt wird, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, auch darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist, wird somit durch den vorliegenden Antrag nicht entsprochen (vgl. zB VfSlg. 16.766/2002 sowie VfGH 8.6.2004, V14/04).
3.1. Darüber hinaus ist die von den Antragstellerinnen gewählte Formulierung nicht geeignet, gegenüber dem Verfassungsgerichtshof den Umfang der als gesetz- bzw. verfassungswidrig erachteten Teile der Verordnung eindeutig zu bezeichnen:
Die Antragstellerinnen beantragen auf der letzten Seite ihres schriftlichen Vorbringens, "die bekämpfte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben ...", wohingegen sie sowohl auf dem Deckblatt des Antrags, als auch im Antrag selbst lediglich auf den Inhalt des §2 der angefochtenen Verordnung abstellen.
3.2. Dem in §57 Abs1 VfGG enthaltenen Erfordernis, die bekämpften Verordnungsstellen genau und eindeutig zu bezeichnen, wird somit durch den vorliegenden Antrag ebenfalls nicht entsprochen. Dem Antrag haftet sohin ein nicht iSd §18 VfGG verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an (vgl. zB VfSlg. 13.736/1994 sowie VfGH 23.9.2003, V71/02).
4. Aus den dargelegten Gründen war der Antrag daher zurückzuweisen.
5. Der vom - anwaltlich vertretenen - Bürgermeister der Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn begehrte Kostenersatz war nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art139 B-VG nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VfGG, vgl. etwa auch VfSlg. 9947/1984, 11.374/1987, 12.133/1989, 14.277/1995, 16.017/2000 sowie 16.567/2002).
6. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, Geltungsbereich (sachlicher) einer Verordnung, Prostitution, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, VfGH / MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:V45.2004Dokumentnummer
JFT_09958870_04V00045_00