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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art94Leitsatz
Verneinender Kompetenzkonflikt zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde; Feststellung der Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Entscheidung über den Einspruch gegen einen den Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen ablehnenden Bescheid des SozialversicherungsträgersRechtssatz
Bei der Lösung des vorliegenden Kompetenzkonfliktes ist von der Unvereinbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung über ein Begehren auf rückwirkende Abänderung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B-VG) auszugehen (vgl. VfSlg. 4998/1965).
Ebenso wie im Wiederaufnahmeverfahren zwischen der Entscheidung über die Wiederaufnahme (Verwaltungssache) und der anschließenden Sachentscheidung (Leistungssache) zu unterscheiden ist, kann auch die Herstellung des gesetzlichen Zustandes gedanklich in zwei Akte zerlegt werden: die Entscheidung, daß der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist (Verwaltungssache), und die Herstellung dieses Zustandes selbst (Leistungssache).
Der mit Einspruch angerufene Landeshauptmann hat sich im Sinne von VfSlg. 4998/1965 auf die Frage der Zulässigkeit der Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu beschränken und dem Sozialversicherungsträger bejahendenfalls die Herstellung, und das heißt, die Erlassung eines neuen Leistungsbescheides, aufzutragen.
Die Verletzung der Entscheidungspflicht kann nur insoweit vor den Landeshauptmann gebracht werden, als es um die Entscheidung über die Notwendigkeit der Herstellung des gesetzlichen Zustandes geht; er muß sich daher auch diesfalls mit dem Auftrag zur Herstellung dieses Zustandes begnügen.
In beiden Fällen beseitigt ein stattgebender, den Auftrag zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes enthaltender Bescheid (des Landeshauptmannes) den abzuändernden Bescheid in gleicher Weise wie ihn die Herstellung des gesetzlichen Zustandes (durch den Sozialversicherungsträger) selbst beseitigt, und macht den Weg für ein gerichtliches Leistungsurteil ohne jede Notwendigkeit einer Bezugnahme auf einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers frei.
Von der Ausnahme der regulären Wiederaufnahme nach §69 ff AVG aus dem Begriff der Leistungssachen hin zur Ausnahme der Herstellung des gesetzlichen Zustandes nach §101 ASVG aus der Kognitionsbefugnis der Gerichte ist gewiß ein zusätzlicher Schritt; er ist aber nicht so groß, daß eine völlig andere - das System der sukzessiven Zuständigkeit letztlich als verfassungswidrig erweisende - Beurteilung unausweichlich wäre.
(siehe auch E v 29.09.94, KI-7/93).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Sozialversicherung, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Gewaltentrennung, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Zuständigkeit der Gerichte, Kompetenz sukzessive, Verwaltungsverfahren, WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:KI5.1993Dokumentnummer
JFR_10059375_93K00I05_01