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82 GesundheitsrechtNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Verstoß der im ÄrzteG für die Errichtung von Zweitordinationen praktischer Ärzte vorgesehenen Bedarfsprüfung gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Bedarfsprüfung hier zur Erreichung des Ziels der flächendeckenden, qualifizierten ärztlichen Versorgung weder geeignet noch adäquatRechtssatz
§19 Abs3 erster Satz und Abs4 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14.09.84, BGBl Nr 373/1984, mit der das Ärztegesetz wiederverlautbart wird, in der Fassung der Kundmachung BGBl Nr 851/1992, waren verfassungswidrig.
Ungeachtet der angefochtenen Bestimmungen hat jeder Arzt, also auch der Facharzt, das Recht, seinen Beruf im ganzen Bundesgebiet frei auszuüben.
Der Gesetzgeber überläßt es dem Arzt, wann und wie oft er am Berufssitz ordiniert; insbesondere findet sich auch keine Bestimmung, die ihn - in zeitlicher Hinsicht - verpflichtet, am Ort seines Berufssitzes und dessen Einzugsgebietes eine ausreichende (fach-)ärztliche Betreuung, ja nicht einmal ein Mindestmaß an (fach-)ärztlicher Versorgung zu gewährleisten.
Auch den in Prüfung gezogenen Regelungen kann nur entnommen werden, daß eine Zweitordination in Orten, in denen die (fach-)ärztliche Versorgung nicht gesichert ist, errichtet werden darf.
Das Argument der Österreichischen Ärztekammer, daß Ärzte anläßlich der Einrichtung einer Ordination einen erheblichen Aufwand tätigen müssen - diese Regelung also dem Existenzschutz diene -, vermag den Verfassungsgerichtshof nicht zu überzeugen.
Da keine Vorschrift ausschließt, daß mehrere Fachärzte derselben Fachrichtung am selben Ort ihren einzigen Berufssitz haben, kann daher eine Regelung, die einen weiteren Berufssitz an einem Ort mit wenigstens einem Facharzt derselben Fachrichtung nur bei entsprechendem Bedarf zuläßt, nicht mit dem Schutz der an diesem Ort niedergelassenen Fachärzte sachlich gerechtfertigt werden.
Der VfGH vermag die Bedarfsprüfung - auch wenn diese nur die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in einer Zweitordination betrifft - nicht als zur Erreichung einer flächendeckenden, qualifizierten (fach-)ärztlichen Versorgung geeignet und adäquat zu erachten.
Dem Bedürfnis, eine ausreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen, trägt insbesondere §342 Abs1 Z1 ASVG Rechnung, wonach in den zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträgen die erforderlichen Vorkehrungen vorgesehen werden können.
Schlagworte
Ärzte, Berufsrecht Ärzte, Bedarfsprüfung, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G243.1993Dokumentnummer
JFR_10059371_93G00243_01