Index
41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art11 Abs2Leitsatz
Asylrecht kein civil right im Sinne der EMRK; kein Verstoß der Regelung der als Zurückweisung zu deutenden Abweisung von Asylanträgen in bestimmten Fällen gegen die Bedarfskompetenz in Angelegenheiten des Verwaltungsverfahrens; Erforderlichkeit abweichender Verfahrensregelungen aufgrund der Besonderheiten des Asylverfahrens; kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip; keine Verletzung des gesetzlichen Richters durch die als Zurückweisung zu deutende Abweisung von Asylanträgen wegen nicht erfolgter Bekanntgabe der Adreßänderung bzw wegen unentschuldigten Fernbleibens von einer EinvernahmeRechtssatz
Das Asylverfahren wird von Art6 EMRK nicht erfaßt. Beim Asylrecht handelt es sich um kein "civil right" iS dieser auf Verfassungsstufe stehenden Konventionsnorm.
Keine Bedenken gegen die vom ZustellG und vom AVG abweichende Regelung des §19 AsylG 1991 betreffend die Abweisung von Asylanträgen in bestimmten Fällen (kein Erscheinen zur Verhandlung, keine Bekanntgabe der Abgabestelle, keine Mitwirkung an erkennungsdienstlicher Behandlung) im Hinblick auf Art11 Abs2 B-VG.
Beim Asylverfahren handelt es sich um ein Verwaltungsgebiet, das von Art11 Abs2 B-VG (in der Fassung der B-VG-Novelle 1974) erfaßt wird und dessen Regeln unterliegt - unabhängig davon, ob das Bundesasylamt in ArtII Abs2 EGVG aufscheint oder nicht.
Das Verfahren zur Gewährung von Asyl weist Besonderheiten auf, die Abweichungen von Bestimmungen des AVG und des ZustellG erforderlich machen. Ohne die Mitwirkung des Asylwerbers ist es in der Regel ausgeschlossen, das Verfahren in angemessener Zeit und mit vertretbarem Aufwand zum Abschluß zu bringen.
Zur Erreichung des Zieles, den Asylwerber zur Mitwirkung am Verfahren zu verhalten, wäre es aber nicht geboten, einen Asylantrag in der Sache nur deshalb endgültig negativ zu erledigen, weil der Asylwerber seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht (voll) nachgekommen ist; vielmehr genügt es, Konsequenzen im Bereich der Prozeßvoraussetzungen zu ziehen. Das Gesetz kann in diesem Sinn ausgelegt werden, nämlich dahin, daß das im ersten Halbsatz des §19 Abs1 AsylG 1991 gebrauchte Wort "abzuweisen" nicht im technischen Sinn zu verstehen ist, sondern im Sinn von "zurückzuweisen". Das bedeutet, daß im Falle einer Zurückweisung des Asylantrages einem neu eingebrachten Asylantrag nicht entgegengehalten werden könnte, es liege res judicata vor.
Eine verfassungskonforme Auslegung gebietet weiters, §19 Abs1 Z2 AsylG 1991 dahin zu verstehen, daß die Zurückweisung des Asylantrages dann nicht in Betracht kommt, wenn die Behörde die neue Abgabestelle kennt oder kennen mußte, auch wenn der Asylwerber die (etwa durch Verlegung des Asylwerbers im Rahmen der Bundesbetreuung bedingte) Adreßänderung nicht der Behörde gemeldet hat.
Keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch die Regelung des §19 AsylG 1991 betreffend die Abweisung von Asylanträgen in bestimmten Fällen.
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die als Zurückweisung zu deutende Abweisung von Asylanträgen gemäß §19 AsylG 1991.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Verwaltungsverfahren, Anwendbarkeit AVG, Rechtsstaatsprinzip, Auslegung verfassungskonforme, civil rights, Mitwirkungspflicht (Ermittlungsverfahren)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1219.1993Dokumentnummer
JFR_10059370_93B01219_01