RS Vfgh 1994/9/26 B1705/93

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Veröffentlicht am 26.09.1994
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

EMRK Art10
RundfunkG §2
VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags; Aufhebung eines Bescheides der Rundfunkkommission infolge verfassungswidriger, Art10 EMRK widersprechender Auslegung des RundfunkG durch Stattgabe einer Beschwerde wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes durch den kritischen Beitrag eines ORF-Redakteurs in den Mittagsnachrichten über den ehemaligen Bürgermeister von Salzburg; Zulässigkeit auch im RundfunkG nicht ausdrücklich vorgesehener Sendeformen

Rechtssatz

Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags nach Versäumung der Frist zur Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrags (Nachreichung einer bestimmten Anzahl von Ausfertigungen der Beilagen).

Auf Grund des als glaubhaft angenommenen Vorbringens des Beschwerdevertreters kann sein Verschulden ebenso wie das seiner Kanzleikräfte nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Wenngleich nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in der Kanzlei des Beschwerdevertreters nicht nur ein Fehler unterlief, kann dies den konkreten Begleitumständen nach, insbesondere angesichts gewisser Unsicherheiten über den Ablauf der maßgebenden tatsächlichen Vorgänge, insgesamt noch als Versehen minderen Grades gelten.

Die Kommission gab der Beschwerde statt, weil die inkriminierte Sendung, die aus dem Bereich der "soft news", des "Polittratsches" stammte, weder unter §2 Abs1 Z1 litb noch unter Z4 RundfunkG falle. Die Kommission unterstellt §2 Abs1 RundfunkG den Inhalt, daß der Programmauftrag des ORF nur Sendungen umfasse (und zulasse), die unter eine (oder mehrere) der hier aufgezählten Sendungsarten fallen.

In VfSlg. 12086/1989 ging der Verfassungsgerichtshof ersichtlich davon aus, daß eine in §2 Abs1 RundfunkG nicht vorgesehene Sendeform an sich zulässig sei (vgl. auch VfSlg. 10948/1986, wonach Art10 EMRK nicht auf einen bestimmten Zweck der Äußerung abstellt). Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung fest.

Eine - dieser Judikatur widersprechende - Auslegung des §2 RundfunkG, die auf den Zweck der Darbietungen abstellt, verstößt daher gegen Art10 EMRK.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, Rundfunk, Auslegung verfassungskonforme, Meinungsäußerungsfreiheit, Objektivitätsgebot (Rundfunk), Informationsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1705.1993

Dokumentnummer

JFR_10059074_93B01705_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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