RS Vfgh 1994/9/28 B384/93

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Veröffentlicht am 28.09.1994
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BSVG §83
BSVG §181
ASVG §342
ASVG §366

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Verpflichtung des beschwerdeführenden Arztes zum Schadenersatz gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der Bauern aufgrund überhöhter Honorarforderungen; kein Nachweis eines rechtswidrigen Verhaltens; honorarmäßige Durchschnittsbetrachtung ausgeschlossen; Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Honorarforderungen von Vertragsärzten nach dem Behandlungsbedarf

Rechtssatz

Die belangte Behörde versucht gar nicht eine Rechtsgrundlage dafür zu nennen, aus der sich aufgrund einer über dem Durchschnitt liegenden Leistungserbringung eines Vertragsarztes bereits ein rechtswidriges Verhalten ergäbe.

Es finden sich nach dem angefochtenen Bescheid auch keine Anhaltspunkte dafür, daß vom Beschwerdeführer erbrachte ärztliche Leistungen honorarmäßig zu Lasten der Sozialversicherungsanstalt der Bauern nicht mehr hätten erbracht werden dürfen. Daß eine "notwendige" Krankenbehandlung iSd §83 BSVG nicht mehr vorliegt, wenn sie eine - nach Meinung der belangten Behörde wohl mitzudenkende - Honorarhöhe überschreitet, kann §83 Abs2 und Abs3 BSVG offenkundig denkmöglich nicht unterstellt werden. Die Anordnung dieser Gesetzesstelle, daß die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe, schließt es aus, eine honorarmäßige Durchschnittsbetrachtung anzustellen und mittels dieser den zulässigen Umfang der von den Vertragsärzten zu erbringenden Krankenbehandlung zu begrenzen. Eine solche Auslegung würde §83 Abs2 und Abs3 BSVG unsachlich und damit gleichheitswidrig machen. Diese Gesetzesstelle - und sie allein ist maßgeblich, weil das BSVG gesetzliche Leistungsgrenzen anderer Art nicht einzieht - gebietet vielmehr die Krankenbehandlung auf die Notwendigkeiten des jeweiligen Krankenfalles abzustellen, wenn sie davon spricht, daß die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muß, das Notwendige jedoch nicht überschreiten dürfe. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verhaltens von Vertragsärzten bei Erbringung von Krankenbehandlungen ist - wie sich aus §83 BSVG ergibt - somit nach dem jeweiligen Behandlungsbedarf zu beurteilen.

Keine Ausgabenbegrenzung im Gesamtvertrag (siehe §342 Abs2 ASVG).

Eine Beurteilung, ob der notwendige Behandlungsbedarf vom Vertragsarzt überschritten wurde, ist nach dem Gesamtvertrag (vgl. §16) auch möglich.

§366 ASVG - der auch für das BSVG nach §182 leg.cit. anzuwenden ist - legt die Pflicht zur Mitwirkung des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten zur Feststellung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen nach Maßgabe des Grades gesundheitlicher Schädigungen fest.

Der Gesetzgeber hat damit auch festgelegt, wie vorzugehen ist, um zu beurteilen, ob durch einen Vertragsarzt eine Krankenbehandlung erfolgt, die das gesetzlich vorgesehene Ausmaß (§83 Abs2 und Abs3 BSVG) überschreitet.

Die belangte Behörde hat demgegenüber, indem sie ausschließlich von einer Gegenüberstellung der Honorarverrechnungen des Beschwerdeführers mit der durchschnittlichen Höhe der Honorarverrechnungen anderer Vertragsärzte ausgeht, dem Beschwerdeführer völlig allgemein unterstellt, daß er in nicht näher bezeichneten Behandlungsfällen Krankenbehandlungen durchgeführt und verrechnet habe, die das gesetzlich vorgeschriebene Ausmaß (§83 Abs2 und Abs3 BSVG) überschritten.

Die belangte Behörde wird in einem durchzuführenden Beweisverfahren aufgrund repräsentativer Stichproben zu prüfen haben, ob die vom Beschwerdeführer erbrachte Krankenbehandlung den Anforderungen des §83 Abs2 und Abs3 BSVG nicht entsprochen hat, weil sie nicht nur ausreichend und zweckmäßig, sondern nicht notwendig war. Stünde dann aufgrund von konkreten Beweisergebnissen fest, daß sich der Beschwerdeführer rechtswidrig verhalten hat und würde dann der Beweis über den streitigen Betrag des zu ersetzenden Schadens nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen sein, dann könnte die Behörde diesen letztlich nach freier Überzeugung festsetzen (vgl. §273 Abs1 ZPO), wobei sie bei dieser Festsetzung die durchschnittliche Höhe der Leistungs- und Honorarverrechnungen von anderen Vertragsärzten berücksichtigen wird können.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte, Schadenersatz, Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B384.1993

Dokumentnummer

JFR_10059072_93B00384_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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