Index
27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gesetzliche Deckung des Verbots des Betriebs einer Filialkanzlei durch die Festlegung lediglich eines Kanzleisitzes für eine Gesellschaft zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft; keine Bedenken gegen ein Filialverbot bei Anwaltsgesellschaften im Hinblick auf den Gleichheitssatz und die Erwerbsausübungsfreiheit; Verbot mehrerer Kanzleisitze und von Filialkanzleien gerechtfertigt zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und zur Wahrung der Würde des Berufes und der UnvereinbarkeitenRechtssatz
Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, daß §40 zweiter Satz RL-BA 1977 betreffend die Unzulässigkeit des Betriebs einer Filialkanzlei im Gesetz - §21c Z7 RAO betreffend das Verbot mehrerer Kanzleisitze für Anwaltsgesellschaften - Deckung findet. Auch wenn nämlich keine der Bestimmungen der RAO expressis verbis ein Filialverbot verfügt, entspricht dieses Ergebnis doch der offenkundigen Absicht des Gesetzgebers.
Die Ausübung des Anwaltsberufes ist von der unmittelbaren persönlichen Beziehung und dem hierauf beruhenden Vertrauen zwischen Anwalt und Klient geprägt.
Ein Vergleich mit der Berufsordnung der Wirtschaftstreuhänder ändert daran nichts.
Das Filialverbot trifft sowohl Einzelanwälte als auch Anwaltsgesellschaften. Daß Anwälte, die Gesellschafter einer Anwaltsgesellschaft sind, auch außerhalb dieser als einzelne den Anwaltsberuf ausüben dürfen, hat weder mit zwei Berufssitzen noch mit dem Filialverbot etwas zu tun; es muß vielmehr jeder Rechtsanwalt, gleichgültig ob er nur Einzelanwalt oder auch Gesellschafter einer Anwaltsgesellschaft ist, einen Kanzleisitz haben - entweder am Sitz der Gesellschaft oder sonst -, den er seiner Standesorganisation zu melden hat. Hat ein Rechtsanwalt keinen Kanzleisitz, so ist er auch kein vertretungs- und geschäftsführungsberechtigter Gesellschafter (§1a Abs2 Z2 RAO). Ist aber das Verbot mehrerer Kanzleisitze und das Verbot von Filialkanzleien sachlich begründet, dann muß dies schon aus Gründen des Gleichheitsgebotes auch für Anwaltsgesellschaften gelten.
Der Verfassungsgerichtshof hält aus den dargelegten Gründen somit das Verbot mehrerer Kanzleisitze und das Verbot von Filialkanzleien für objektiv gerechtfertigt, um eine ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwaltes sicherzustellen und um die Beachtung der Würde des Berufes und der Unvereinbarkeiten zu gewährleisten.
(siehe auch E v 12.10.94, B165/94).
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1886.1992Dokumentnummer
JFR_10059071_92B01886_01