Index
25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
EMRK Art6 Abs2Leitsatz
Kein Verstoß der Bestimmungen des StEG über den Anspruch auf Entschädigung wegen strafgerichtlicher Anhaltung bei Verdachtsentkräftung gegen die Unschuldsvermutung der EMRK; verfassungskonforme Auslegung durch (Haftentschädigungs-)Entscheidung des in der Hauptsache erkennenden Gerichts möglichRechtssatz
Der Wortlaut des §2 Abs1 litb StEG läßt eine - verfassungskonforme - Auslegung des Gesetzes im Sinn der Rechtsmeinung des EGMR (im Fall Sekanina gegen die Republik Österreich vom 25.08.93) und des Verfassungsgerichtshofs sowie des Obersten Gerichtshofs ohne weiters zu, wenn berücksichtigt wird, daß nach §6 Abs2 StEG das Gericht, das eine Person freispricht oder sonst außer Verfolgung setzt oder milder verurteilt (§2 Abs1 litb oder litc), ua von Amts wegen durch Beschluß festzustellen hat, ob die in §2 Abs1 litb oder litc und Abs2 und Abs3 StEG näher umschriebenen Anspruchsvoraussetzungen zutreffen oder ob einer der in §3 StEG genannten Ausschlußgründe vorliegt.
Die (Haftentschädigungs-)Entscheidung des (in der Hauptsache) erkennenden Gerichts, ob das Nichtgelingen des Schuldbeweises einer Verdachtsentkräftung gleichkomme, könnte Bedenken im Hinblick auf Art6 Abs2 EMRK überhaupt nur dann entstehen lassen, wenn ein Freispruch aus Mangel an Beweisen ("in dubio pro reo") selbst mit der Unschuldsvermutung unvereinbar (und damit die zugrundeliegende Gesetzesbestimmung (§259 Z3 StPO) verfassungswidrig) wäre. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm des §259 Z3 StPO hegt der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht.
Nicht die Verneinung des Anspruchs auf Entschädigung für eine nach Art5 EMRK verhängte Haft iSd Vorschriften des StEG an sich ist konventionswidrig, sondern die (gerichtliche) Neuaufrollung und eigenständige Beurteilung der Schuldfrage nach bereits rechtskräftigem Freispruch in den Entscheidungsgründen eines späteren (Haftentschädigungs-)Verfahrens.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Strafrecht, Entschädigung Haft-, Haftentschädigung, Auslegung verfassungskonforme, UnschuldsvermutungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G24.1994Dokumentnummer
JFR_10059071_94G00024_01