RS Vfgh 1994/10/1 B75/94

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Veröffentlicht am 01.10.1994
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Vollstreckungshandlung
B-VG Art129a Abs1 Z2
FremdenpolizeiG §13
FremdenG §36
FremdenG §37
FremdenG §40
FremdenG §54

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine vor rechtskräftiger Entscheidung über ein Refoulement-Verbot erfolgte Abschiebung eines Fremden; Abschiebung vor Rechtskraft einer solchen Entscheidung keine bloße Vollstreckungsmaßnahme sondern selbständig bekämpfbarer Akt der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

Rechtssatz

Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum FremdenpolizeiG, wonach die Abschiebung als bloße Maßnahme zur Vollstreckung vorangegangener Bescheide zu qualifizieren war, kann grundsätzlich auch auf Grundlage des FremdenG Geltung beanspruchen. Wie nach dem FremdenpolizeiG stellt daher auch eine Abschiebung gemäß §36 FremdenG keine (bescheidmäßig zu verfügende) Vollstreckungsverfügung dar. Vielmehr handelt es sich bei der Abschiebung, sofern dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist, um die "Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt". Dient allerdings die Anwendung von "Befehls- und Zwangsgewalt" zwecks Abschiebung iSd §40 FremdenG nicht bloß der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, ist diese als - selbständig bekämpfbare - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art129a Abs1 Z2 B-VG zu werten.

Die Zulässigkeit der Abschiebung ist erst mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem gemäß §54 FremdenG die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wird, gegeben. Eine Vollstreckung der vorangegangenen Bescheide, mit denen eine Ausweisung bzw ein Aufenthaltsverbot und die Schubhaft verhängt wurden, ist bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls unzulässig.

Wird der Fremde entgegen §54 Abs4 FremdenG dennoch bereits vor Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag gemäß §54 FremdenG abgeschoben, so stellt sich die Abschiebung daher nicht bloß als zulässige Vollstreckung vorangegangener Bescheide dar, weil ihre Zulässigkeit noch gar nicht feststeht. Eine Abschiebung ist diesfalls vielmehr als gesondert bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd Art129a Abs1 Z2 B-VG zu qualifizieren.

(ebenso: E v 28.11.94, B178/94).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenpolizei, Schubhaft, Fremdenrecht, Abschiebung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Refoulement-Verbot, Vollstreckungshandlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B75.1994

Dokumentnummer

JFR_10058999_94B00075_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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