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61 Familienförderung, JugendfürsorgeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit der Beschränkung der für den Anspruch auf Familienbeihilfe außer Betracht bleibenden Einkünfte der Kinder auf Entschädigungen aus einem "gesetzlich" anerkannten Lehrverhältnis nach dem FamilienlastenausgleichsG 1967; Eintritt des verfassungswidrigen Zustandes mangels Aufnahme kollektivvertraglich geregelter Ausbildungsverhältnisse (wie des im Anlaßfall maßgeblichen Ausbildungsverhältnisses zum Vermessungshilfstechniker) in die Liste der Lehrberufe nach dem BerufsausbildungsG nach Ablauf des für die Entwicklung des Berufsausbildungsrechtes zur Verfügung stehenden ZeitRechtssatz
In §5 Abs1 litb des FamilienlastenausgleichsG 1967, BGBl. 376, idF BGBl. 550/1979, wird das Wort "gesetzlich" als verfassungswidrig aufgehoben.
Ist die für die Entwicklung des Berufsausbildungsrechtes zur Verfügung stehende Zeit verstrichen und bleiben wesentliche Ausbildungsverhältnisse mangels Aufnahme in die Liste der Lehrberufe ohne gesetzliche Anerkennung, obwohl sie in einer den Lehrberufen gleichzuhaltenden Form auf kollektivvertraglicher Grundlage bestehen, so führt das zunächst zulässige System (vgl. VfSlg. 8605/1979) zu einem verfassungsrechtlich nicht mehr haltbaren Zustand. Die unvollständige Erfassung der bestehenden Lehrverhältnisse macht auch das daran anknüpfende Familienlastenausgleichsrecht verfassungswidrig.
Der Eintritt eines verfassungswidrigen Zustandes fällt nicht nur dem - warum immer - säumigen Verordnungsgeber, sondern auch dem Gesetz selbst zur Last, das diesen Zustand herbeiführt - weil der Gesetzgeber diesfalls eben die Wirkungen des Gesetzes von der Erlassung einer Verordnung abhängig gemacht hat. Dies gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit in der Anknüpfung an ein Rechtsgebiet besteht, das die in Betracht kommenden Verhältnisse im Ergebnis unvollständig erfaßt.
Der Gesetzgeber kann von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen; das Ausmaß der dabei hinzunehmenden ungleichen Auswirkung einer generellen Norm hängt allerdings nicht nur vom Grad der Schwierigkeiten ab, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierende Lösung der Vollziehung bereiten würde, sondern auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen.
Vor dem Hintergrund der Möglichkeit, den Lehrberuf Vermessungshilfstechniker vorzusehen oder die (oberste) Verwaltungsbehörde zur Feststellung der Gleichwertigkeit kollektivvertragsrechtlich geregelter Ausbildungsverhältnisse zu ermächtigen, und angesichts der empfindlichen Auswirkung der aus ihnen erzielten Einkünfte auf den Anspruch auf Familienbeihilfe kann eine grundlose Ausnahme offenkundig vorhandener Ausbildungsverhältnisse aus dem Katalog der beihilfenunschädlichen Einkunftsquellen jedoch keinen Bestand haben.
Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit genügt es, das Wort "gesetzlich" in §5 Abs1 litb FamilienlastenausgleichsG 1967 aufzuheben.
Einer Anerkennung kollektivvertraglich geregelter Ausbildungsverhältnisse steht offenkundig nur das Wort "gesetzlich" im Wege. Denn das KollektivvertragsG enthält keine als Anerkennung von Ausbildungsverhältnissen deutbaren Regelungen. Solche enthält vielmehr nur das der Ausführung durch Verordnungen bedürftige Berufsausbildungsgesetz. Andererseits kann unter einem anerkannten Ausbildungsverhältnis dem Gesetzeszweck entsprechend nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes verstanden werden.
(Anlaßfall B551/93, E v 03.10.94, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Familienlastenausgleich, Gewerberecht, Berufsausbildung (Gewerberecht), Anpassungspflicht (des Normgebers), VfGH / Verwerfungsumfang, EinkünfteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G98.1994Dokumentnummer
JFR_10058997_94G00098_01