RS Vfgh 1994/10/4 B327/94

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Veröffentlicht am 04.10.1994
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Schiedskommissionsverordnung, BGBl 128/1991 §16
ASVG §344
ASVG §345
ASVG §351

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung der unrichtig zusammengesetzten Landesberufungskommission über den Einbehalt von Beiträgen und Umlagen vom Kassenhonorar durch die Gebietskrankenkasse zwecks Überweisung an die Ärztekammer; Mitwirkung eines nicht der Berufsgruppe der Ärzte angehörenden Beisitzers an der Entscheidung; keine Bedenken gegen die Regelung der Zusammensetzung und Kreation von Schiedskommission und Landesberufungskommission im Hinblick auf die Gebote der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und das Klarheitsgebot; gesetzliche Deckung der Einschränkung der Beisitzer auf die Berufsgruppe der Ärzte

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §344 und §345 ASVG betreffend die Regelung der Zusammensetzung der Landesberufungskommission im Hinblick auf Art6 Abs1 EMRK; Tribunalqualität der Landesberufungskommission (siehe E v 30.09.93, B1136/92).

Für die belangte Landesberufungskommission gilt das durch Art6 EMRK angeordnete Gebot der Unparteilichkeit.

Es ist zulässig, der Entscheidung durch ein Tribunal - hier die Landesberufungskommission - ein Verfahren vor einer weisungsgebundenen Verwaltungsbehörde (hier: der paritätischen Schiedskommission) vorzuschalten (VfSlg. 11729/1988).

Keine Bedenken gegen die die Kreation der Beisitzer betreffenden Formulierungen des §345 Abs1 und des §351 ASVG im Hinblick auf Art18 B-VG.

Wort und Sinn der Regelungen des §345 und §351 ASVG erlauben es, daß trotz der abwechselnden Verwendung der Worte "bestellen", "entsenden", "Berufung" und "heranziehen" §345 ASVG verfassungskonform und §16 der Schiedskommissionsverordnung gesetzeskonform dahin zu verstehen ist, daß die Beisitzer von der jeweils in Betracht kommenden Interessenvertretung und dem Hauptverband dem Bundesminister für Justiz vorzuschlagen und sodann von diesem zu bestellen sind. Diese Sicht wird zusätzlich systematisch dadurch gestützt, daß nicht nur der Vorsitzende (Stellvertreter) vom Bundesminister für Justiz zu bestellen ist, sondern daß auch alle Mitglieder bei Zutreffen der Gründe des §346 Abs4 ASVG vom Bundesminister für Justiz ihres Amtes zu entheben sind.

Keine Gesetzwidrigkeit des §16 Abs4 Schiedskommissionsverordnung wegen einer "Einschränkung der Beisitzer auf Ärzte".

§345 Abs1 ASVG ist vielmehr tatsächlich dahin zu verstehen, daß von der zuständigen Ärztekammer als Beisitzer nur Personen vorzuschlagen sind, die dem Berufsstand der Ärzte angehören. Dies gebietet sich schon deshalb, weil offenkundig die Anordnung einer Mitwirkung von Beisitzern, die von der Ärztekammer vorzuschlagen sind, bezweckt, die Fachkenntnisse, die Ärzte besitzen, in der Landesberufungskommission zum Tragen zu bringen.

Auch die Regelung des §346 Abs4 ASVG, die gemäß §345 Abs3 leg.cit. sinngemäß für die Landesberufungskommission für Ärzte gilt, sieht offensichtlich im Hinblick auf die Bedeutung, die den Fachkenntnissen der Beisitzer beigemessen wird, als Bestellungsvoraussetzung eine aktive Berufstätigkeit vor und ordnet eine Enthebung der Beisitzer durch den Bundesminister für Justiz mit ihrem Übertritt in den Ruhestand an.

An der angefochtenen Entscheidung (Ersatzbescheid nach E v 17.06.93, B1065/91 - Anlaßfall zu E v 17.06.93, V44/92) hat (auch) der Kammeramtsdirektor Dr. H E mitgewirkt. Dieser war von der Ärztekammer als Beisitzer in die Landesberufungskommission entsendet worden. Da er nicht der Berufsgruppe der Ärzte angehört, sondern vielmehr ausgebildeter Jurist ist, bewirkt seine Teilnahme als entsendeter Beisitzer der Ärztekammer die unrichtige Zusammensetzung der Landesberufungskommission.

(siehe auch E v 27.02.95, B1135/93, E v 29.11.94, B1871/93, E v 12.06.95, B64/94, E v 27.11.95, B375/95).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte, Tribunal, Behördenzusammensetzung, Schiedskommission (Sozialversicherung), Determinierungsgebot, Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B327.1994

Dokumentnummer

JFR_10058996_94B00327_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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