RS Vfgh 1994/10/10 B1382/93

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Veröffentlicht am 10.10.1994
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
EMRK Art3
PersFrSchG 1988 Art1 ff
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
FremdenpolizeiG §10
FremdenG §35
FremdenG §37
FremdenG §41
FremdenG §52

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Abweisung einer Beschwerde gegen die weitere Anhaltung in einer zur Sicherung der Zurückschiebung verhängten Schubhaft; Zulässigkeit der Zurückschiebung nur in das unmittelbar vorhergehende Einreiseland; Verpflichtung zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Zurückschiebung daher nur in jenes Land und nicht auch in andere Länder; keine Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Folter; keine iSd Art3 EMRK relevante Bedrohung des Beschwerdeführers bei Zurückschiebung nach Ungarn; keine Verletzung der Verpflichtung zur Entscheidung über Schubhaftbeschwerden binnen einer Woche; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die einer Gesetzlosigkeit gleichkommende fehlerhafte Beurteilung der Zurückschiebungsmöglichkeiten durch die belangte Behörde

Rechtssatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Abweisung einer Beschwerde gegen die weitere Anhaltung in (zur Sicherung der Zurückschiebung verhängter) Schubhaft.

Die Behörde hat(te) im Administrativverfahren jedenfalls der Frage nachzugehen, ob einer Zurückschiebung das Refoulement-Verbot des §37 Abs1 FremdenG entgegenstand. Da eine Zurückschiebung nur in jenes Land zulässig ist, aus welchem der Fremde eingereist ist, ist der UVS daher gehalten, sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, daß eine Zurückschiebung in dieses Land nicht zulässig sei (siehe hiezu die im Erkenntnis angeführte Vorjudikatur).

Da im vorliegenden Fall nur eine Zurückschiebung nach Ungarn (in jenes Land, aus welchem der Beschwerdeführer nach Österreich einreiste) zulässig war, war der UVS nicht gehalten, auf die behauptete Unzulässigkeit der Zurückschiebung in den Libanon einzugehen. Hingegen ging der UVS im angefochtenen Bescheid auf die Zulässigkeit der Zurückschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn unter dem maßgeblichen Aspekt des §37 Abs1 FremdenG ein und entzog sich also insoweit nicht einem Abspruch über die Rechtmäßigkeit der Schubhaft.

Die Entscheidung des UVS, daß die Zurückschiebung nach Ungarn aus der Sicht des §37 Abs1 FremdenG zulässig ist, verletzt den Beschwerdeführer nicht in dem gemäß Art3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie im vorliegenden Fall davon ausging, daß der Beschwerdeführer in Ungarn nicht iSd §37 Abs1 FremdenG bedroht sei (siehe hiezu E v 04.10.94, B986/94 ua).

Keine Verletzung der Verpflichtung der Behörde zur Entscheidung über eine Schubhaftbeschwerde binnen einer Woche.

Gemäß §10 FremdenpolizeiG war eine Zurückschiebung eines Fremden nur in den Staat zulässig, aus dem er unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist war.

Auch nach dem FremdenG ist eine Zurückschiebung eines Fremden nur in den Staat zulässig, aus dem er unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist.

Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer aus Ungarn eingereist. Eine Zurückschiebung war daher ausschließlich nach Ungarn zulässig. Dennoch hatte die Fremdenpolizeibehörde in Aussicht genommen, ihn in den Libanon "zurückzuschieben". Spätestens ab dem 17.05.93 diente die Schubhaft daher einer unzulässigen Zurückschiebung.

Indem die belangte Behörde dies verkannte und die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung insgesamt als unbegründet abwies, hat sie das Gesetz (§35 und §41 iVm §§51 f. FremdenG) denkunmöglich angewendet und den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt.

(ebenso: E v 12.10.94, B1419/93; E v 12.10.94, B1542/93).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenrecht, Fremdenpolizei, Schubhaft, Zurückschiebung, Refoulement-Verbot, Mißhandlung, Fristen (Verwaltungsverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1382.1993

Dokumentnummer

JFR_10058990_93B01382_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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