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70 SchulenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung der Festlegung einer besonderen Schulpflicht nur für Mädchen im Land Vorarlberg hinsichtlich des Besuchs einer hauswirtschaftlichen Berufsschule; keine sachliche Rechtfertigung mehr dieser unterschiedlichen Rechtslage in Vorarlberg durch die besonderen Verhältnisse der Ausbildungssituation von Frauen in Vorarlberg; Zeitraum für die Herstellung von Rechtsgleichheit in allen Bundesländern bereits verstrichenRechtssatz
Prüfung des §28 SchulpflichtG 1985 hinsichtlich der Festlegung einer besonderen Schulpflicht nur für Mädchen im Land Vorarlberg hinsichtlich des Besuchs einer hauswirtschaftlichen Berufsschule.
Annahme des Vorliegens des Prozeßhindernisses der entschiedenen Sache hinsichtlich der Bedenken zur Gleichheit von Frau und Mann im Prüfungsbeschluß.
Da der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 7461/1974 die in Prüfung gezogene Regelung, soweit sie zwischen Vorarlberg und den anderen Bundesländern differenziert, (lediglich) für die Dauer eines angemessenen - nicht genau bestimmbaren - Zeitraumes als aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes unbedenklich erkannte, steht nach dem Ablauf von mehr als 30 Jahren einer in dieser Beziehung aus heutiger Sicht vorzunehmenden neuerlichen Prüfung der Gleichheitskonformität dieser Regelung das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache selbst dann nicht entgegen, wenn diese Prüfung zu keinem anderen Ergebnis führen sollte.
§28 SchulpflichtG 1985, Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 08.02.85, BGBl. Nr. 76, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Da die in Prüfung gezogene Regelung, soweit sie eine unterschiedliche Rechtslage in Vorarlberg einerseits und in allen anderen Bundesländern andererseits herbeiführt, nach dem Erkenntnis VfSlg. 7461/1974 ihre (vorübergehende) sachliche Rechtfertigung allein in den "ausschließlich historisch bedingten Sonderverhältnisse(n)" in Vorarlberg findet, vermag die von der Vorarlberger Landesregierung ausführlich geschilderte und großteils durch statistische Unterlagen belegte Verschiedenheit der auf dem Gebiet der schulischen Ausbildung von Frauen bestehenden tatsächlichen Verhältnisse in Vorarlberg einerseits und den anderen Bundesländern andererseits die hier in Rede stehende Differenzierung nicht sachlich zu rechtfertigen. Die Verschiedenheit dieser Verhältnisse bildet demnach auch kein Argument für die Auffassung, es sei der für die Herstellung der Rechtsgleichheit in allen Bundesländern zur Verfügung stehende angemessene Zeitraum noch nicht verstrichen. Wenngleich sich die Länge dieses Zeitraumes nicht exakt angeben läßt, erscheint es dem Verfassungsgerichtshof nicht zweifelhaft, daß nach dem Verstreichen von mehr als 30 Jahren seit der Begründung der ausschließlichen Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit des Bundes in Angelegenheiten der Schulpflicht und dem (gleichzeitigen) Inkrafttreten der in Prüfung gezogenen (Übergangs-)Regelung diese nur während einer Übergangsfrist aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes unbedenkliche Regelung mit diesem Grundsatz, dem Gesetze jederzeit entsprechen müssen (s. etwa VfSlg. 8871/1980, 9524/1982, 9583/1982, 11048/1986, 11632/1988, 11641/1988), nicht (mehr) im Einklang steht.
(Anlaßfälle: E v 11.10.94, B407,408/91 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Bedenken, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Schulen, Schulpflicht, Schulorganisation, Bundesstaat, Gleichheit Frau-Mann, Übergangsbestimmung, RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G74.1994Dokumentnummer
JFR_10058989_94G00074_01