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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung des Antrags einer Gebietskrankenkasse auf Rückzahlung verrechneter Honorare eines Hautarztes wegen "Überarztung"; keine Berechtigung des Arztes nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung zur Verrechnung der nach eigener Einschätzung der Indikation erbrachten Leistung hinsichtlich bestimmter Exzisionen ohne histologischen Befund; chefärztliche Bewilligungspflicht kosmetischer Eingriffe; keine willkürliche Abweisung des Rückzahlungsbegehrens hinsichtlich präkludierter Ansprüche mangels fristgerechter Einwendungen gegen ältere HonorarabrechnungenSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch Punkt 2) des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden; in diesem Umfang wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die beschwerdeführende Partei ist durch Punkt 3) des angefochtenen Bescheides weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden; insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: Gebietskrankenkasse) steht seit dem Jahr 1990 in einem Vertragsverhältnis zu Dr. K, einem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Sitz in Wien.
2. Mit dem im Devolutionsweg (§§344 Abs3, 345 Abs2 Z2 ASVG) ergangenen Bescheid vom 27. Mai 2004 wies die Landesberufungskommission für Wien mehrere von der Gebietskrankenkasse gestellte - gegen Dr. K gerichtete - Anträge vom 16. Mai 2001 ab. Der Spruch des Bescheides lautet wie folgt:
"1) Der Antrag, festzustellen, dass der Antragsgegner durch die von ihm geübte Vorgangsweise die Verpflichtung zu einer ökonomischen Behandlungsweise infolge medizinisch nicht indizierter Wiederbestellung von Patienten sowie infolge Verrechnung medizinisch nicht indizierter Leistungen jedenfalls seit 1998 bis laufend verletzt und der Antragstellerin damit finanziellen Schaden zugefügt hat, wird abgewiesen.
2) Der Antrag, der Antragsgegner sei schuldig, der Antragstellerin für die Quartale 1. bis 4. 2000 einen Betrag von
S 856.507,70 zurückzuzahlen, wird abgewiesen.
3) Der Antrag, der Antragsgegner sei schuldig, der Antragstellerin für 1998 und 1999 einen Betrag von S 1,782.935,60 zurückzuzahlen, wird abgewiesen."
Begründet wurde die ua. auf ein eingeholtes Gutachten gestützte Entscheidung zum einen damit, dass die von der Gebietskrankenkasse behauptete "Überarztung" nicht erwiesen sei und die durchgeführten Eingriffe vertretbar gewesen seien. Zum anderen habe die Gebietskrankenkasse nicht fristgerecht Einwendungen gegen die Honorarabrechnung des Dr. K gemäß §36 Abs6 des Gesamtvertrages erhoben.
3. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (§345 Abs3 iVm §346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, worin die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Punkte 2) und
3) seines Spruches (Abweisung der Leistungsbegehren) begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, worin sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die Beschwerdeabweisung beantragt. Dr. K hat als beteiligte Partei eine Äußerung zum Gegenstand erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die vorliegende Beschwerde wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Insbesondere wird der Behörde vorgeworfen, das eingeholte Sachverständigengutachten geradezu in sein Gegenteil zu verdrehen und dadurch Willkür zu üben. So sei die Begründung "nur wenn man das Gutachten oberflächlich und ohne seine Ergänzungen lese, könne man tatsächlich meinen, dass die Verrechnung der Positionen 502 aus einer Überarztung heraus erfolgte und medizinisch mit einer anderen Position in gleicher Weise das Auslangen gefunden hätte werden können und dass die Eingriffe kosmetischer und daher nicht von der WGKK zu ersetzender Natur waren" eine glatte Scheinbegründung. Weiters sei die Auffassung der Behörde unrichtig, die Kernaussage des Gutachtens bestehe darin, dass, wenn man die Verdachtsdiagnosen oder die Angaben des Antragsgegners über Lage, Beschaffenheit etc. der Hautläsionen glaube, ein objektiver Gegenbeweis nicht erbracht werden könne und die Exzisionen vertretbar gewesen seien. So komme der Sachverständige "mit nicht zu überbietender Klarheit" zum Ergebnis, dass ein Großteil der Fälle "strittig" sei, da selbst bei Berücksichtigung der Angaben des Dr. K große Unterschiede zwischen Klinik und histologischer Diagnose bestünden bzw. die als "kosmetisch" angegebenen Indikationen als solche auch zu sehen seien. Von einer "Vertretbarkeit" der Exzisionen sei im Gutachten schlichtweg nicht die Rede, so die Beschwerde. Durch das Ignorieren des Inhaltes des Gutachtens übe die Behörde Willkür.
Weiters erhebt die Beschwerde den Vorwurf, die belangte Behörde habe das Erkenntnis VfSlg. 13.874/1994 "unrichtig angewendet". So sei im gegenständlichen Fall nicht etwa eine honorarmäßige Durchschnittsbetrachtung angestellt, sondern aufgrund repräsentativer Stichproben geprüft worden, ob die vom Beteiligten erbrachte Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen überschritten habe. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten werde die Überschreitung des Maßes des Notwendigen und Zweckmäßigen belegt. Somit könne nicht ernsthaft behauptet werden, der Beschwerdeführerin sei der Beweis des rechtswidrigen Verhaltens des Dr. K misslungen, nachdem die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Einzelfallprüfung stattgefunden und diese zum Ergebnis geführt habe, dass von den im ersten Quartal 2000 vorgenommenen 542 Exzisionen mehr als 100 Fälle strittig bleiben.
Darüber hinaus rügt die Beschwerde die Auslegung des §36 Abs6 des Gesamtvertrages als willkürlich. Diese Präklusionsbestimmung beziehe sich nur auf offenkundige Mängel. Darunter seien solche zu verstehen, die aus der Honorarabrechnung erkennbar sind. Die vorliegenden Mängel, die darin begründet seien, dass der Arzt kosmetische Operationen verrechnet habe, seien aus der Honorarabrechnung nicht ersichtlich. Auch in diesem Fall liege eine "verfassungsrechtlich relevante" Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde vor.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift irrig einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).
3. Die belangte Behörde hat in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise die Rechtslage verkannt:
3.1. Soweit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung durch niedergelassene Vertragsärzte erbracht werden, entscheiden diese nicht nur in Erfüllung ihrer Behandlungspflicht über die für den Patienten medizinisch gebotene Leistung, sondern sie bewirken überdies gleichzeitig die Erfüllung des von ihnen selbst beurteilten sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Soweit sie daher Leistungen selbst erbringen, verschreiben oder sonst veranlassen, entscheiden sie zugleich über den Versicherungsanspruch des Versicherten anstelle des Versicherungsträgers (vgl. VfSlg. 15.776/2000).
Die einem Vertragsarzt durch Gesamtvertrag und Einzelvertrag übertragene Befugnis, im Namen und auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers zu handeln, kann im Einzelfall auf verschiedene Weise eingeschränkt werden: So kann für bestimmte Behandlungen von Vornherein die Bewilligung zur Erbringung der Leistung auf Kosten der Krankenversicherung dem Krankenversicherungsträger vorbehalten sein (sog. chefärztliche Bewilligungspflicht; vgl. dazu VfSlg. 15.907/2000); es kann aber auch die Befugnis des Vertragsarztes zur Erbringung der Leistung auf Kosten der Krankenkasse - wie in einem Teil der hier strittigen Fälle - vom Vorliegen entsprechender objektiver Befunde abhängig gemacht werden.
3.2. Im Beschwerdefall steht unbestritten fest (siehe S 2 des angefochtenen Bescheides), dass der beteiligte Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten eine "gegenüber anderen Ärzten seiner Fachgruppe ... weitaus höhere Patientenanzahl und eine weitaus höhere Verrechnung der Position 502 der Honorarordnung aufweist", weshalb der Verdacht bestand, er habe kosmetische, medizinisch aber nicht erforderliche Eingriffe durchgeführt (vgl. dazu §133 Abs3 ASVG).
3.2.1. Zur Beurteilung der Frage, ob durch einen Vertragsarzt eine Krankenbehandlung erfolgt, die das gesetzlich vorgesehene Ausmaß überschreitet, ist ein Beweisverfahren mit repräsentativen Stichproben durchzuführen. Anhand einer ausschließlichen Gegenüberstellung der Honorarabrechnungen eines Vertragsarztes mit der durchschnittlichen Höhe der Honorarverrechnungen anderer Vertragsärzte kann diesem nicht unterstellt werden, dass er in nicht näher bezeichneten Behandlungsfällen Krankenbehandlungen durchgeführt und verrechnet habe, die das gesetzlich vorgeschriebene Ausmaß (im vorliegenden Fall §133 Abs2 ASVG) überschritten (vgl. VfSlg. 13.874/1994 zu §83 Abs2 BSVG, der Parallelbestimmung des §133 Abs2 ASVG).
3.2.2. Die belangte Behörde hat die gebotene stichprobenweise Überprüfung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Parteieneinvernahme durchgeführt. Mit dieser Vorgangsweise hat die Behörde sichergestellt, dass nicht aufgrund bloßer Berechnungen oder Durchschnittsbetrachtungen, sondern anhand konkreter Ermittlungsergebnisse über das Vorliegen einer "Überarztung" befunden werde. Die in der Beschwerde behauptete "unrichtige Anwendung" des Erkenntnisses VfSlg. 13.874/1994 liegt daher insoweit nicht vor.
3.2.3. Unter den in der Honorarordnung des Gesamtvertrages auf dem Fachgebiet "Haut- und Geschlechtskrankheiten" vorgesehenen Eingriffen betrifft die Position 502 die
"Excision eines Hauttumors inklusive Naht; ... Diese Position ist nur verrechenbar, wenn ein histologischer Befund vorliegt. ..."
Diese Leistung wird mit 70 Punkten + Regiezuschlag II (= 18 Punkte) verrechnet.
a) Der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige überprüfte auf Grund der statistischen Auffälligkeiten stichprobenartig diese Position im ersten Quartal des Jahres 2000 und stellte fest, dass von 212 seitens der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse als nicht verrechenbar bestrittenen Exzisionen nach Position 502 nur 12 auf Grund eines einschlägigen histologischen Befundes erfolgt sind.
b) Die belangte Behörde hat das auf Rückzahlung gerichtete Leistungsbegehren der beschwerdeführenden Partei - auf das Wesentliche zusammengefasst - insoweit jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme aus der Sicht des behandelnden Arztes im Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahme zu beurteilen sei, wie sich der Fall "dem Arzt zur Zeit der Erstellung der Diagnose darstellte". Glaube man aber den Verdachtsdiagnosen "oder den Angaben des [Arztes]über Lage, Beschaffenheit etc. der Hautläsionen", so könne ein objektiver Gegenbeweis (gemeint: gegen das Vorliegen einer medizinischen Indikation der Interventionen nach Position 502 trotz Fehlens eines objektiven histologischen Befundes) nicht erbracht werden. Ob der Sachverständige die Fälle anders beurteilt hätte - wie dieser zum Ausdruck gebracht hatte -, sei nicht entscheidend. Es habe daher nicht erwiesen werden können, dass der Beteiligte "nur über Begehren der Patienten kosmetische Eingriffe vornahm".
3.2.4. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage fundamental - und damit in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise - verkannt:
a) Sie hat nämlich die ausdrückliche Regelung der Honorierung von Position 502 in der Honorarordnung unangewendet gelassen. Wenn nach dieser Bestimmung des Gesamtvertrages ausdrücklich die Intervention nur bei Vorliegen eines entsprechenden histologischen Befundes honoriert wird (und damit auf Anordnung des Arztes auf Kosten der Gebietskrankenkasse erbracht werden kann), dann schließt diese Bestimmung die Honorierung von Interventionen aus, die ohne das Vorliegen eines solchen Befundes erbracht worden sind.
b) Mutmaßungen über allenfalls auch ohne Vorliegen eines solchen Befundes beim Arzt bestehende Verdachtsgründe, auf Grund derer eine Exzision dennoch medizinisch indiziert sein könnte (wobei die belangte Behörde der Sache nach auch die Erbringung eines "Gegenbeweises" als unmöglich erachtet), erübrigen sich, weil der Facharzt nach dem Gesamtvertrag nicht berechtigt war, auf Grund seiner Einschätzung der Indikation die Leistung auf Grund eigener Entscheidung zu erbringen. Ist die Exzision nach Position 502 nicht durch einen histologischen Befund gedeckt, so hätte die Maßnahme zur Abklärung der medizinischen Notwendigkeit der chefärztlichen Bewilligung bedurft (zur chefärztlichen Bewilligungspflicht von kosmetischen Eingriffen vgl. Punkt 8 der Anlage zu den - vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen - "Richtlinien über die ökonomische Krankenbehandlung - RöK" gemäß §31 Abs5 Z10 ASVG; zur Unbedenklichkeit dieser Richtlinien vgl. VfSlg. 15.907/2000).
3.2.5. Soweit die belangte Behörde daher nicht präkludierte Ansprüche der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse aus Abrechnungen für das Jahr 2000 in Spruchpunkt 2) abgewiesen hat, hat sie durch die Außerachtlassung einer klaren und eindeutigen Vorschrift des Gesamtvertrages (und der einschlägigen Vorschriften der RöK) Willkür geübt. Spruchpunkt 2) des angefochtenen Bescheides war daher aufzuheben.
4. Was die Beschwerdekritik an der Auslegung der Präklusionsbestimmung des §36 Abs6 des Gesamtvertrages anlangt, so ist das Vorbringen jedoch nicht geeignet, einen verfassungsrechtlich relevanten Vollzugsfehler zu erweisen. Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nämlich nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art133 Z4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann. (VfSlg. 3975/1961, 6760/1972, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN).
4.1. §36 Abs6 des Gesamtvertrages vom 25. Juni 1956 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vom 1. Jänner 2002, abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Wien und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, lautet:
"Einwendungen gegen die Honorarabrechnung müssen von den Parteien des Einzelvertrages bei sonstigem Ausschluss binnen 6 Monaten geltend gemacht werden. Die 6-Monate-Frist beginnt für den Vertragsarzt mit der Zahlung des Honorars, für den Versicherungsträger mit dem Einlangen der Honorarabrechnung. Wenn der Arzt die Bestimmungen des §21 nicht beachtet, ist eine Beanstandung des Versicherungsträgers nur innerhalb von 9 Monaten nach Einlangen der Verschreibung beim Versicherungsträger zulässig."
Die Anordnungen des §36 Abs6 des Gesamtvertrages haben die Wirkung, dass der Versicherungsträger - ungeachtet seiner Verpflichtung, die abgerechneten Honorare vorläufig auszuzahlen - gegen die Abrechnung des Vertragsarztes binnen sechs Monaten nach Zugang der Abrechnung Einwendungen erheben muss, widrigenfalls diese präkludiert sind. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung beginnt die genannte Frist für den Krankenversicherungsträger mit dem Einlangen der Honorarabrechnung (vgl. VfSlg. 15.721/2000).
4.2. Es kann auf sich beruhen, ob sich diese Frist - wie in der Beschwerde vorgetragen wird - nur auf "offenkundige Mängel" der Honorarabrechnung bezieht, weil der belangten Behörde auch unter dieser Prämisse kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler beim Vollzug dieser Norm anzulasten wäre: Gerade die von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse auch im Verfahren vor der belangten Behörde behauptete "eklatante Abweichung" der Abrechnungen des Beteiligten von jenen seiner Fachkollegen lässt die Annahme der belangten Behörde als nicht denkunmöglich erscheinen, dass diese Abweichungen der beschwerdeführenden Partei binnen sechs Monaten ab Zugang der jeweiligen Honorarabrechnungen erkennbar gewesen sein mussten. Der belangten Behörde ist daher auch unter der Prämisse der beschwerdeführenden Partei nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgegangen ist, dass mangels Erhebung eines Einspruches innerhalb der sechsmonatigen Frist die Rückforderung von Honoraren für die Jahre 1998 und 1999 ausgeschlossen ist.
4.3. Der Umstand, dass die wahren Ursachen für Auffälligkeiten einer Honorarabrechnung allenfalls erst zu einem viel späteren Zeitpunkt feststellbar sind, spielt dabei keine Rolle, weil die Befristung dieses Einspruchs nur die Funktion hat, dem Vertragsarzt entweder sichere Dispositionen über seine Honoraransprüche innerhalb einer angemessenen Frist zu ermöglichen oder ihm zu signalisieren, dass er möglicherweise auch später noch mit Rückforderungen rechnen muss (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. September 2004, B279/04).
4.4. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch Spruchpunkt 3) des angefochtenen Bescheides weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher insoweit abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens (teils Stattgebung, teils Abweisung) wurden die Verfahrenskosten in sinngemäßer (§35 Abs1 VfGG) Anwendung des §43 Abs1 ZPO gegeneinander aufgehoben (zB VfSlg. 16.132/2001).
6. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
Sozialversicherung, ÄrzteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1018.2004Dokumentnummer
JFT_09958870_04B01018_00