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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Versagung der Genehmigung eines Vertragsmusters für betriebliche Vorsorgeleistungen mangels ausreichender Behandlung der Frage der sachlichen Rechtfertigung von Differenzierungen zwischen Arbeitnehmergruppen im vorgelegten Vertragsmuster; keine Bedenken gegen das Eintreten der Genehmigungspflicht für die Errichtung betrieblicher Pensionskassen lediglich bei Fehlen einer Betriebsvereinbarung; verfassungskonforme Auslegung der Rezeption des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes in die Betriebspensionsregelung in Richtung eines Raums für sachliche Differenzierungen bei der Einräumung eines Systems betrieblicher PensionszusagenRechtssatz
Die Regelung des §3 Abs1 und Abs2 BetriebspensionsG, die die Errichtung einer betrieblichen Pensionskasse oder den Beitritt zu einer betrieblichen oder überbetrieblichen Pensionskasse grundsätzlich einer Betriebsvereinbarung vorbehält und immer dann, wenn die Arbeitnehmer von keinem Betriebsrat vertreten werden, eine vorgängige Vereinbarung verlangt, die im Regelfall einer Genehmigung durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales bedarf, greift in die durch das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums insoweit geschützte Privatautonomie von Unternehmungen ein, die eine entsprechende betriebliche Vorsorge zur Ergänzung gesetzlicher Pensionsansprüche für ihre Arbeitnehmer treffen wollen.
Keine Bedenken gegen §3 BetriebspensionsG betreffend die Regelung der Errichtung von Pensionskassen.
Daß die Genehmigungspflicht (nur) dann eintritt, wenn der betrieblichen Zusage keine Betriebsvereinbarung zugrundeliegt, ist mit Rücksicht darauf sachlich zu rechtfertigen, daß der Gesetzgeber mit guten Gründen davon ausgehen konnte, daß einer Betriebsvereinbarung eine bestimmte "Richtigkeitsgewähr" innewohnt, daß aber (nur) dann, wenn diese fehlt, ein staatlicher Aufsichtsakt erforderlich ist.
Keine Bedenken gegen §18 BetriebspensionsG, der den Arbeitgeber an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bindet (§18 Abs1 erster Halbsatz), ihn verpflichtet, bei Leistungszusagen den Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen des Betriebes eine ausgewogene, willkürliche und sachfremde Differenzierungen ausschließende Beteiligung am Pensionskassensystem zu ermöglichen (§18 Abs2), und ihn weiters verpflichtet, bei Einschränkungen oder Widerruf von Rechten nach dem BetriebspensionsG Leistungs- und Anwartschaftsberechtigte nach ausgewogenen, willkürliche oder sachfremde Differenzierungen zwischen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen ausschließenden Grundsätzen zu behandeln (§18 Abs1 zweiter Halbsatz).
Das in die Betriebspensionsregelung rezipierte allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, aber auch die besondere Regelung des Abs2 des §18 BetriebspensionsG stellt deutlich darauf ab, dem Arbeitgeber unausgewogene, willkürliche oder unsachliche Differenzierungen von Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen bei der Beteiligung am Pensionskassensystem zu untersagen.
In §18 Abs1 BetriebspensionsG ist die Verpflichtung angesprochen, bei Einschränkungen oder Widerruf von Rechten nach dem BetriebspensionsG Leistungs- und Anwartschaftsberechtigte nach ausgewogenen, willkürliche oder sachfremde Differenzierungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmergruppen ausschließenden Grundsätzen zu behandeln. Daß hiebei keinesfalls die Gesamtheit der Arbeitnehmer eines Betriebs gemeint sein kann, ergibt sich schon aus der Regelung selbst.
Der Verfassungsgerichtshof folgt daher der herrschenden Lehre (vgl. insb. Strasser, aaO, 40 ff, Eichinger, Zum Gleichbehandlungsgebot gem. §18 BetriebspensionsG, ZAS 1991, 119 ff, insb. 123 ff, Tomandl, Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten im neuen Betriebspensionsrecht, ZAS 1991, 80 ff, insb. 83 ff), derzufolge ein Unternehmer bei der Einräumung eines Systems betrieblicher Pensionszusagen an das allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot gebunden ist und ihm bei der Ausgestaltung von Pensionskassensystemen unausgewogene und sachwidrige Differenzierungen verboten sind, aber in beiden Fällen Raum für sachliche Differenzierungen bleibt.
Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Abweisung eines Antrags auf Genehmigung eines Vertragsmusters für betriebliche Vorsorgeleistungen in Anwendung des §3 und §18 BetriebspensionsG.
Die Behörde hat bei der Bescheiderlassung, da sie von einer unzutreffenden Interpretation des Gesetzes ausgegangen ist, die entscheidende Frage des Verfahrens, ob die im vorgelegten Vertragsmuster vorgesehene Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern der Verwendungsgruppe VI des Kollektivvertrages und anderen Arbeitnehmern des antragstellenden Unternehmens eine sachlich gerechtfertigte oder willkürliche Differenzierung darstellt, nur völlig unzureichend behandelt und damit - nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 8320/1978, 9824/1983) - den Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet.
Schlagworte
Betriebspension, Arbeitsrecht, Gleichbehandlung, Auslegung verfassungskonforme, Privatautonomie, EigentumseingriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B204.1994Dokumentnummer
JFR_10058794_94B00204_01