RS Vfgh 1994/12/13 G227/93

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Veröffentlicht am 13.12.1994
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
KraftfahrzeugsteuerG 1992
VersicherungssteuerG-Nov BGBl 449/1992
VersicherungssteuerG 1953 §7 Abs4 idF BGBl 449/1992

Leitsatz

Zulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen über die Einhebung der motorbezogenen Versicherungssteuer durch die Haftpflichtversicherer als Teil des Versicherungsentgelts; Verwaltungsrechtsweg über die Rückforderung zu Unrecht entrichteter Versicherungssteuer nicht zumutbar; Zulässigkeit des Anfechtungsumfangs; sachliche Rechtfertigung der begrenzten Haftung des Versicherers und der Leistungsfreiheit des Versicherers als Folge der Nichtentrichtung der Versicherungssteuer aufgrund des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und der Verwaltungsökonomie; keine unsachliche Benachteiligung der vom VersicherungssteuerG 1953 erfaßten Fahrzeughalter gegenüber den dem Regime des KraftfahrzeugsteuerG 1992 unterstellten

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des ersten und zweiten Satzes des §7 Abs4 VersicherungssteuerG 1953 sowie des dritten Satzes der Übergangsbestimmung der Z3 im Abschnitt II des Bundesgesetzes BGBl 449/1992 (Einhebung der motorbezogenen Versicherungssteuer durch die Kfz-Haftpflichtversicherer als Teil des Versicherungsentgelts; Begrenzung der Haftung des Versicherers). Kein zumutbarer Verwaltungsrechtsweg.

Eine Antragstellung auf Rückzahlung der zu Unrecht entrichteten motorbezogenen Versicherungssteuer beim Finanzamt ist nur im Fall der vorher erfolgten Zahlung der Prämie (samt Steuer) möglich. Im Fall der Rückforderung hat die Behörde nur über die Unrechtmäßigkeit der Entrichtung der Prämie zu befinden, und etwaige Verzugsfolgen sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens, weil ein Verzug überhaupt nicht eingetreten ist. Die vorgebrachten Bedenken richten sich auch nicht gegen die Art der Einhebung der Abgabe, sondern ausschließlich gegen die Konsequenzen im Fall der Nichtentrichtung.

Der Antrag auf Aufhebung des ersten und zweiten Satzes des §7 Abs4 VersicherungssteuerG 1953 sowie des dritten Satzes der Übergangsbestimmung der Z3 im Abschnitt II des Bundesgesetzes BGBl 449/1992 ist in diesem Umfang zulässig. Der Antragsteller schildert zwar zunächst seine persönliche versicherungsvertragliche Situation (Prämienfälligkeit vor dem 01.05.93), er bekämpft aber allgemein die für seine Person als Konsequenz einer allenfalls nicht (oder nicht rechtzeitig) erfolgten Prämienzahlung eintretende Leistungsfreiheit des Versicherers. Im Antrag werden daher folgerichtig die im 3. Satz der zitierten Übergangsbestimmung enthaltene Verweisung auf die entsprechenden, die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsehenden Vorschriften des VersicherungsvertragsG ebenso bekämpft wie die (damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden) ersten beiden Sätze des §7 Abs4 VersicherungssteuerG 1953, welche durch die Einbeziehung der Steuer in das Versicherungsentgelt bewirken, daß bei nicht (oder nicht rechtzeitig) vorgenommener Bezahlung weiterer Prämien Leistungsfreiheit des Versicherers eintritt.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des ersten und zweiten Satzes des §7 Abs4 VersicherungssteuerG 1953 sowie des dritten Satzes der Übergangsbestimmung der Z3 im Abschnitt II des Bundesgesetzes BGBl 449/1992.

Die Einhebung der motorbezogenen Versicherungssteuer erfolgt aufgrund der Novelle BGBl 449/1992 in Form einer erhöhten Versicherungssteuer gemeinsam mit der (Kfz-Haftpflicht-)Versicherungsprämie durch den Versicherer.

Steuerschuldner ist gemäß §7 Abs1 VersicherungssteuerG 1953 der Versicherungsnehmer. Für die Steuer haftet der Versicherer, der die Steuer für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten hat. Diese Form der mittelbaren Abgabeneinhebung ermöglicht jene Konsequenz, die auch bei Nichtbezahlung der Versicherungsprämie vertragsrechtlich eintritt. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, an das Instrumentarium des Privatrechts anzuknüpfen und es auch hinsichtlich der motorbezogenen Versicherungssteuer bei den im Privatrecht vorgesehenen Konsequenzen zwischen Versicherer und Versichertem bewenden zu lassen.

Die nunmehr bestehende Haftung der Versicherungsunternehmen für erhöhte Abgabenbeträge bedeutet auch erhöhte Verpflichtungen der Versicherer gegenüber der Abgabenbehörde.

Die bekämpfte Regelung erscheint als geeignetes Mittel, die Haftung auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Dieses - einer gewissen Entlastung der von der Haftung betroffenen Versicherungsunternehmen dienende - Mittel kann keineswegs als zur Zielerreichung völlig ungeeignet im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 11369/1987, 11639/1988) bezeichnet werden. Bei der bekämpften Regelung drohen dem Abgabepflichtigen im allgemeinen auch keine finanzstrafrechtlichen Konsequenzen bei Nichtentrichtung der Abgabe (vgl. hiezu auch VwGH 19.06.75, Zl. 431/75). Da auch deutlich wurde, daß es sich bei der Eintreibung der motorbezogenen Versicherungssteuer im Prozeßweg im Sinne des §7 Abs4 VersicherungssteuerG 1953 um ein ziemlich aufwendiges Verfahren handelt, erscheint die bekämpfte Pauschalregelung auch deshalb gerechtfertigt.

In jenen Fällen, in denen eine Versicherungsprämie zur Gänze nicht bezahlt wird, tritt die kritisierte Leistungsfreiheit des Versicherers bereits aus versicherungsvertragsrechtlichen Gründen - unabhängig von der abgabenrechtlichen Lage - ein. Die Zahl jener Fälle, bei denen die Versicherungsprämie abzüglich der Steuerquote entrichtet wird, ist wohl verschwindend gering.

Rechtfertigung auch durch Aspekte der Verwaltungsökonomie.

Die behauptete unsachliche Benachteiligung der vom VersicherungssteuerG 1953 erfaßten Fahrzeughalter gegenüber den dem Regime des KraftfahrzeugsteuerG 1992 unterstellten ist nicht gegeben.

Eine unterschiedliche Regelung der bei Nichtleistung der Steuer eintretenden Konsequenzen (nur diese, nicht die Unterscheidung als solche, werden im Antrag kritisiert) ist schon aus Unterschieden im Tatsächlichen gerechtfertigt (vgl. zB VfSlg. 9888/1983, 10918/1986).

Die Verfahren bei nicht oder nicht ordnungsgemäß entrichteter Steuer führen in beiden Fallgruppen zum selben Ergebnis (Leistungsfreiheit des Versicherers). Der Gesetzgeber hat somit keineswegs völlig verschiedene Sanktionssysteme geschaffen. Auch tritt in beiden Fallgruppen die Unmöglichkeit der Verwendung des Kraftfahrzeuges ein, und zwar in der einen Gruppe wegen des Wegfalles des Versicherungsschutzes und in der anderen Gruppe wegen der Aufhebung der Zulassung des Kraftfahrzeuges.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Versicherungssteuer, VfGH / Prüfungsumfang, Haftung, Übergangsbestimmung, Haftpflichtversicherung, Kraftfahrzeugsteuer, Verwaltungsökonomie, Haftpflichtversicherung (Kfz), Kraftfahrrecht Haftpflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G227.1993

Dokumentnummer

JFR_10058787_93G00227_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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