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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art85Leitsatz
Verletzung in den Rechten, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, sowie nicht zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet zu werden, durch die Abweisung der Schubhaftbeschwerde eines Kosovo-Albaners hinsichtlich seiner Abschiebung in die Republik Jugoslawien; unzureichende Prüfung der vom Beschwerdeführer behaupteten Gründe für das Bestehen eines Refoulement-Verbotes bezüglich der Todesstrafe für WehrdienstverweigererRechtssatz
Der zweite Satz des Art1 des 6. ZP EMRK, welches vom Nationalrat als "verfassungsergänzend" genehmigt wurde (siehe die Kundmachung BGBl 138/1985), gewährleistet ein subjektives Recht, (in Friedenszeiten) nicht zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet zu werden.
Angesichts der Unteilbarkeit der Menschenrechte ist eine Bedachtnahme auf alle einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgesetzgebers geboten.
In Art85 B-VG kommt die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers zum Ausdruck, beim Verbot der Todesstrafe nicht zwischen Kriegs- und Friedenszeiten zu unterscheiden. Diese Bestimmung blieb auch nach Inkrafttreten des
6. ZP EMRK in sinngemäßer Beachtung des Günstigkeitsprinzips des Art60 EMRK "ungeändert erhalten" und steht daher "uneingeschränkt in Geltung".
Eine Betrachtung der Bestimmung des Art85 B-VG in Zusammenhalt mit Art1 des 6. ZP EMRK führt daher zu dem Ergebnis, daß die österreichische Bundesverfassung das subjektive Recht, nicht zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet zu werden, ausnahmslos garantiert.
Gleich dem gemäß Art3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, wird demnach das gemäß Art1 des 6. ZP EMRK iVm Art85 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, nicht zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet zu werden, durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid in Anwendung eines den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes ergangen ist, wenn er auf einer dem genannten Grundrecht widersprechenden Auslegung des Gesetzes beruht oder wenn der Behörde grobe Verfahrensfehler unterlaufen sind (vgl zu Art3 EMRK VfGH 04.10.94, B986/94 ua Zlen).
Dem UVS ist bei Erlassung des angefochtenen Bescheides insofern ein grober Verfahrensfehler unterlaufen, als er das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohten in der "Bundesrepublik Jugoslawien" seitens der Regierung schwere Repressalien und er sei dort seines Lebens nicht mehr sicher, zumal Wehrdienstverweigerer während des Krieges mit der Todesstrafe bestraft würden, ausschließlich unter Hinweis auf eine Auskunft der Vertretungsbehörde der "Bundesrepublik Jugoslawien" in Graz für unbegründet erachtete. Der Verfassungsgerichtshof ist mit dem Beschwerdeführer der Auffassung, daß die Frage der dem Beschwerdeführer behauptetermaßen drohenden Gefahren in der "Bundesrepublik Jugoslawien" nicht lediglich auf Grund einer Auskunft der Vertretungsbehörde jenes Staates, von welchem die behaupteten Gefahren drohen, ernsthaft beurteilt werden kann.
In gleicher Weise hätte der UVS aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers prüfen müssen, ob dieser bei einer Abschiebung in die "Bundesrepublik Jugoslawien" konkret Gefahr liefe, dort - auch ohne daß formell die Todesstrafe verhängt wird - infolge Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung iS des Art3 EMRK zu Tode zu kommen.
(siehe auch E v 16.12.94, B347/94).
Schlagworte
Todesstrafe, Auslegung Verfassungs-, Grundrechte, Mißhandlung, Fremdenrecht, Refoulement-VerbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B711.1994Dokumentnummer
JFR_10058786_94B00711_01