Index
63 Allgemeines Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ein Mitglied des Personalausschusses der Post AG wegen begründeten Verdachts einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Aussagen über Schließung von Postämtern in einem ZeitungsinterviewSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist bei der Österreichischen Post AG beschäftigt und wird als Leiter des Postamtes ... beschäftigt.
2.1. Mit - als "Einleitungs- und Unterbrechungsbeschluss" bezeichnetem - Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 11. November 2003 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß §123 Abs1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) ein Disziplinarverfahren eingeleitet und dieses gemäß §114 Abs2 BDG bis zum Abschluss des Strafverfahrens unterbrochen. In diesem Bescheid wird der Beschwerdeführer wie folgt beschuldigt:
"[E]r habe
1) in der Monatssumme der Postanweisungsgebarung im Monat September 2002 Euro 1.307,50 verrechnet, obwohl laut Postanweisungsbuch Euro 1.452,84 verrechnet hätten werden müssen und er habe den dadurch entstandenen Kassenüberschuss von Euro 145,34 nicht ausgewiesen,
2) am 04. November 2002 eine Postanweisung mit dem Betrag von Euro 100,00 für P P, ..., angenommen aber nicht in die Verrechnungsunterlagen aufgenommen und den daraus resultierenden Kassenüberschuss nicht ausgewiesen,
3) am 18. November 2002 eine Postanweisung über Euro 350,00 für P P, ..., angenommen aber nicht in die Verrechnungsunterlagen aufgenommen und den daraus resultierenden Kassenüberschuss nicht ausgewiesen,
4) wiederholt Kassenüberschüsse nicht ausgewiesen, sondern sich diese widerrechtlich angeeignet, um damit entstandene Kassenabgänge auszugleichen.
Es besteht dadurch der Verdacht, dass Rev K die Dienstpflichten eines Beamten nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG):
a) seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§43 Abs1 BDG 1979) und
b) in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§43 Abs2 BDG 1979)
schuldhaft verletzt und dadurch eine Dienstverpflichtung im Sinne des §91 BDG 1979 begangen hat."
Begründend wird dazu ua. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich die Forderung der Österreichischen Post AG über EUR 435,90 anerkannt und sich verpflichtet habe, diesen Betrag bis 30. Oktober 2003 einzubezahlen; dies sei am 28. Oktober 2003 erfolgt.
2.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ua. vorbrachte, dass die Einleitung des Disziplinarverfahrens rechtswidrig sei, weil aus der dem Anerkenntnis beigefügten Zahlungsvereinbarung hervorgehe, dass bei deren Nichteinhaltung die Strafbarkeit wieder auflebe. Das Anerkenntnis sei nur deswegen unterzeichnet worden, weil der Beschwerdeführer davon ausgegangen sei, dass keine weiteren Schritte gegen ihn gesetzt werden würden. Unstimmigkeiten in der Abrechnung seien auf arbeitsbedingte Fehler zurückzuführen gewesen, er habe niemals in Bereicherungsabsicht gehandelt. Eine dienstliche Verfehlung könne dem Beschwerdeführer keinesfalls zur Last gelegt werden.
2.3. Mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 4. März 2004 wurde die Berufung "hinsichtlich der Punkte 1 und 3 des Einleitungsbeschlusses als unbegründet abgewiesen ..., hinsichtlich des Punktes 4 ... behoben". (In weiterer Folge wurde der Spruch dieses Bescheides mit Bescheid der Berufungskommission vom 3. Juni 2004 gemäß §62 Abs4 AVG dahingehend berichtigt, dass die Berufung des Beschwerdeführers "hinsichtlich der Punkte 1 bis 3 des Einleitungsbeschlusses als unbegründet abgewiesen wird.")
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der erstinstanzliche Bescheid sei in Punkt 4 aufzuheben gewesen, da verabsäumt worden sei, die angelastete Tat hinreichend zu konkretisieren.
Was die Punkte 1 bis 3 des angefochtenen Bescheides anlange, so reiche es aus, wenn genügend Verdachtsgründe gegen den Beamten vorlägen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigten. Die Disziplinarkommission müsse bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies sei vielmehr erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ein Verdacht bestehe, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigten. Die im bekämpften Einleitungsbeschluss in den Punkten 1 bis 3 relevierten Tatsachen reichten aus, um den Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung nach §91 BDG zu rechtfertigen. Die Zusicherung von "Straffreiheit" sei für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens irrelevant. Bei der gegebenen Rechts- und Sachlage (Anhaltspunkte für Abrechnungsabweichungen; Privatentnahmen etc.) könne der Verdacht einer schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten hinsichtlich der Punkte 1 bis 3 des Einleitungsbeschlusses nach §91 BDG nicht ausgeschlossen werden. Ein offenkundiger Einstellungsgrund nach §118 BDG sei für die Berufungskommission im derzeitigen Verfahrensstadium nicht erkennbar gewesen.
2.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet wird.
Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird darin vorgebracht:
Bei der Befragung des Beschwerdeführers am 25. September 2003 sei eine sachlich unzuständige Behörde eingeschritten.
Weiters sei ein Disziplinarverfahren dann gemäß §118 BDG 1979 mit Bescheid einzustellen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen:
"Aufgrund der zwischen dem Beschwerdeführer und der Österreichischen Post AG abgeschlossenen Zahlungsvereinbarung vom 25.9.2003 wird dem Beschwerdeführer Straffreiheit zugesichert. Die Zusage der Straffreiheit wird von der Berufungskommission nicht bestritten. Die erkennende Behörde geht vielmehr davon aus, dass eine solche Vereinbarung bzw. eine Zusage der Straffreiheit zustande gekommen ist. Es wird auch die vereinbarungsgemäße Erfüllung der Vereinbarung durch die Berufungskommission nicht in Frage gestellt. Die erkennende Behörde ist jedoch gleichzeitig der Auffassung, dass eine "Zusicherung der Straffreiheit" für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens irrelevant sei und ein offenkundiger Einstellungsgrund nach §118 BDG für die Berufungskommission nicht erkennbar ist.
Gemäß §118 BDG 1979 ist ein Disziplinarverfahren jedoch zwingend einzustellen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen. In der Zusicherung der Straffreiheit liegt jedenfalls ein solcher Umstand vor. Die Berufungskommission verletzt somit die zwingende Norm des §118 BDG 1979. Der angefochtene Bescheid verkennt die Rechtslage und steht mit den Rechtsvorschriften, insbesondere mit den Bestimmungen des §118 BDG 1979 in Widerspruch.
Die erkennende Behörde hat in diesem entscheidenden Punkt auch jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen."
Darüber hinaus habe die erkennende Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt unterlassen und wesentliche Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers ignoriert.
Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sei der Beschwerdeführer durch den Bescheid verletzt worden, weil die Behörde die Auffassung vertrete, dass eine Zusicherung von Straffreiheit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens irrelevant sei. Damit verkenne sie die Rechtslage. Auch habe die Behörde in diesem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen.
2.5. Die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen der vorliegenden Beschwerde entgegen tritt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des BDG lauten:
"Berufungskommission
§41a. (1) Beim Bundeskanzleramt ist eine Berufungskommission einzurichten, die aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern besteht.
...
(3) Der Vorsitzende und dessen Stellvertreter müssen Richter, die weiteren Mitglieder rechtskundige Bundesbeamte sein, die je zur Hälfte Vertreter des Dienstgebers und der Dienstnehmer sind.
...
(5) Die Berufungskommission hat ihre Entscheidungen ohne unnötigen Aufschub, möglichst aber binnen drei Monaten ab Einbringung der Berufung zu treffen. Die Bescheide der Berufungskommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist in diesen Angelegenheiten ausgeschlossen.
(6) (Verfassungsbestimmung) Die Berufungskommission entscheidet über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide in Angelegenheiten der §§38, 40, 41 Abs2, 123 Abs2 und 124 Abs2."
"Abstimmung und Stellung der Mitglieder
§41d. (1)...
(2) Die Mitglieder der Berufungskommission sind in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig."
"Allgemeine Dienstpflichten
§43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
..."
"Dienstpflichtverletzungen
§91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
..."
"Zuständigkeit
§97. Zuständig sind
1. ...
2. die Disziplinarkommission zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist.
3. ...
4. die Berufungskommission zur Entscheidung über Berufungen gegen Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse der Disziplinarkommission
..."
"Disziplinaranzeige
§109. (1) Der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) hat bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß §84 der Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen.
..."
"Einstellung des Disziplinarverfahrens
§118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und über dies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken
..."
"Einleitung
§123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.
(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluss dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen den Beschluß, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht einzuleiten oder einzustellen (§118), ist die Berufung an die Berufungskommission zulässig."
3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, dessen Verletzung der Beschwerdeführer im vorliegenden Zusammenhang behauptet, ist auf den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit gerichtet (vgl. dazu bereits VfSlg. 2536/1953); es wird insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt (VfSlg. 11.073/1986).
Davon kann im vorliegenden Zusammenhang keine Rede sein:
Die vom Beschwerdeführer für das Vorliegen einer solchen Rechtsverletzung ins Treffen geführte Behauptung, dass bei seiner Befragung am 25. September 2003 durch den Erhebungsdienst der Österreichischen Post AG "eine sachlich unzuständige Behörde in erster Instanz" tätig geworden sei, ist nicht geeignet darzutun, dass die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen nicht zuständig gewesen wäre, im Hinblick auf die bei ihr eingelangte Disziplinaranzeige der Dienstbehörde des Beschwerdeführers vom 31. Oktober 2003 den (erstinstanzlichen) "Einleitungs- und Unterbrechungsbeschluss" zu fassen.
Auch aus dem Vorbringen, die Berufungskommission habe §118 BDG verletzt, weil sie davon ausgegangen sei, dass eine Zusicherung der Straffreiheit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens irrelevant sei, lässt sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers, der bekämpfte Bescheid verletzte ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, nichts gewinnen. Selbst wenn seine Behauptung zuträfe, folgte daraus bloß die Gesetzwidrigkeit des bekämpften Bescheides, nicht aber die Unzuständigkeit der Berufungskommission, diesen zu erlassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird durch die unrichtige Anwendung der materiellen Bestimmungen eines Gesetzes das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt, weil dieses Recht nicht die Gesetzmäßigkeit des Inhalts des betreffenden Verwaltungsaktes gewährleistet (vgl. zB VfSlg. 15.068/1998 mwH).
3.3. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.
Da der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften, so vor allem gegen §123 BDG (vgl. VfSlg. 16.269/2001), keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001 16.640/2002). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).
Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem wesentlichen, in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.
Die Auffassung der Berufungskommission, dass es für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ausreiche, wenn genügend Verdachtsmomente gegen den Beamten vorliegen, die die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen und dass es keiner völligen Klarheit darüber bedürfe, ob der Beamte die Dienstpflichtverletzungen, die ihm vorgeworfen werden, tatsächlich begangen hat, da dies erst im nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären sei, ist jedenfalls vertretbar [vgl. zB VfSlg. 16.269/2001; s. im Übrigen auch VfSlg. 16.176/2002 mwH, wonach ein Einleitungsbeschluss keine Entscheidung über eine "strafrechtliche Anklage" iSd. Art6 EMRK darstellt]. Ausgehend davon war die belangte Behörde auch nicht gehalten, auf das konkrete Tatvorwürfe betreffende, erst im weiterführenden Ermittlungsverfahren zu verifizierende Vorbringen des Beschwerdeführers näher einzugehen.
Zusammenfassend ist also die getroffene behördliche Entscheidung nicht mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel, der eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bewirkte, belastet.
3.4. Ob der Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.807/1977 uva.).
3.5. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.
3.6. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Die vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragte Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz nicht vorgesehen ist; da die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes somit ausgeschlossen ist, kommt eine Abtretung gemäß Art144 Abs3 B-VG nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 11.954/1989).
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Dienstrecht, Amtsverschwiegenheit, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Personalvertretung, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B582.2004Dokumentnummer
JFT_09958870_04B00582_00