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27 RechtspflegeNorm
StGG Art13Leitsatz
Verletzung im Recht auf freie Meinungsäußerung durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen des in einem Ablehnungsantrag erhobenen Vorwurfs der (Dienst-)Unfähigkeit des Richters; inkriminierte Aussage noch als zulässiges Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der RAO zu wertenRechtssatz
Die inkriminierte Äußerung ist vom Schutzbereich des Art13 StGG und Art10 EMRK erfaßt. Der Beschwerdeführer hat nämlich in seinem Ablehnungsantrag dem Richter - disziplinarrechtlich ungeahndet - in mehrfacher Hinsicht ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorgeworfen. Ausgehend hievon erscheint die inkriminierte Äußerung als Verstärkung der Verhaltensrüge im Sinne der Aussage, daß der Richter tatsächlich falsch gehandelt haben müsse, da man ja nicht davon ausgehen könne, daß es ihm an ausreichender Sachkenntnis fehle. Eine solche Äußerung - mag sie auch als Wortüberschwang zu sehen sein - aber ist zulässig, zumal sie in einem Ablehnungsantrag gemacht worden ist, in dem gemäß §72 Abs1 StPO Gründe anzugeben und darzutun sind, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden in Zweifel zu setzen.
Der Verfassungsgerichtshof ist unter den gegebenen Umständen der Meinung, daß die inkriminierte Aussage noch als zulässiges Angriffs- und Verteidigungsmittel iSd §9 Abs1 RAO zu werten ist. Eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Vorschrift mußte folglich zum Ergebnis führen, daß die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und eines die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigenden Verhaltens nicht stattgefunden haben.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Meinungsäußerungsfreiheit, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1545.1993Dokumentnummer
JFR_10049773_93B01545_01