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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen der Wr BauO 1930 über die Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne wegen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip infolge Fehlens eines für eine finale Determinierung notwendigen umfassenden Zielkatalogs bzw einer umfassenden Umschreibung der Planungsaufgaben und mangels einer Regelung über die Methode der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers; Aufhebung der aufgrund dieser verfassungswidrigen Vorschrift erlassenen Plandokumente mangels gesetzlicher Grundlage; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Gesetzesbestimmung auch auf eine vor Beratungsbeginn anhängig gewordene Verordnungsprüfungssache; Einstellung des zu dieser Sache eingeleiteten, jedoch nicht mehr in die dieselbe Gesetzesvorschrift betreffenden anderen Prüfungsverfahren einbeziehbaren GesetzesprüfungsverfahrensRechtssatz
§1 Wr BauO 1930 idF LGBl 18/1976 (betreffend Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne) wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Will der Gesetzgeber den - in diesem Bereich des Raumordnungsrechtes wohl nicht gangbaren - Weg einer Determinierung durch die konkrete Widmung bestimmter Gebiete nicht beschreiten und ist er daher auf den einer finalen Determinierung verwiesen, so ist ein umfassender gesetzlicher Zielkatalog oder zumindest eine umfassende Umschreibung der Planungsaufgaben durch das Gesetz in inhaltlicher Hinsicht unabdingbar, weil sonst das Verwaltungshandeln weitgehend in einem rechtsfreien Raum stattfände und dementsprechend auch der verfassungsmäßig gebotene Maßstab für die Überprüfung der Verwaltungstätigkeit auf ihre Gesetzmäßigkeit vom Ansatz her fehlte. Es wäre überschießend, eine gesetzliche Ermächtigung als zulässig anzunehmen, die eine Planung ohne prinzipiell umfassend vorgegebene allgemeine Ziele erlaubt. Diese Ansicht kann auch weder durch eine Berufung auf das demokratische Prinzip - gleichsam unter dem Stichwort Bürgerbeteiligung - noch durch die an sich richtige Überlegung entkräftet werden, daß der Gestaltungsspielraum der Vollziehung mit dem Umfang eines (notwendigerweise) Zielkonflikte in sich bergenden Zielkataloges zunimmt.
Die einzelnen Bestimmungen der Wr BauO 1930 entnehmbaren Zielprogramme (zB der von der Landesregierung diesbezüglich ins Treffen geführte §6) betreffen nur Teilbereiche und enthalten sohin keinen umfassenden Zielkatalog im eben dargelegten Sinn.
Die Wr BauO 1930 enthält auch keine Regelung darüber, wie die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers zu erarbeiten sind. Es blieb unbestritten, daß die Wr BauO - etwa in ihren den Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung betreffenden Vorschriften (§3) - nur gleichsam formale Anordnungen für die Erstellung von Entscheidungsgrundlagen trifft, aber nicht die Methode selbst bindend vorschreibt (und daher im Vergleich zum mittlerweile gewonnenen rechtsstaatlichen Standard des Raumplanungsrechtes anderer Bundesländer weit zurückbleibt).
Aufhebung der aufgrund der verfassungswidrigen Vorschrift des §1 Wr BauO 1930 erlassenen Plandokumente.
Die in Prüfung gezogenen Plandokumente waren zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, und zwar auch das Plandokument 5778 im gesamten Umfang, da es insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrt (Art139 Abs3 lita B-VG).
Bezüglich des Plandokumentes 5708, das in Ansehung des Plandokumentes 6536 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, daß jenes gesetzwidrig war.
Auch in dem Fall, in dem aus Anlaß einer erforderlichen Verordnungsprüfung ein Gesetzesprüfungsverfahren zwar eingeleitet wird, die Gesetzesprüfungssache aber aus Gründen des zeitlichen Verfahrensablaufes nicht mehr in die dieselbe Gesetzesvorschrift betreffenden anderen Prüfungsverfahren einbezogen werden kann (- hier: Fassung des Einleitungsbeschlusses G31/95 am 27.02.95, Beginn der Beratung in den anderen Gesetzesprüfungsfällen am heutigen Tag (02.03.95) -), wirkt die sodann ausgesprochene Aufhebung der Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig auf die schon vor Beratungsbeginn anhängig gewordene Verordnungsprüfungssache zurück. Das Plandokument 6548 war mithin, da es aufgrund einer verfassungswidrigen Gesetzesvorschrift erlassen worden war, (gleichfalls) als gesetzwidrig aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erweist sich das aus Anlaß der Beschwerdesache B2840/94 bzw der Verordnungsprüfungssache V36/95 bezüglich des §1 Wr BauO 1930 eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren G31/95 als gegenstandslos; es war daher einzustellen.
(Anlaßfälle: B1588/92, E v 02.03.95, B2080/92, B1797/93, B1802/93, B979/94, B1455/94 ua, B1494/94, B1547/94, B1886/94, und B2840/94, alle E v 15.03.95, sowie B9/94, E v 16.03.95).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), Legalitätsprinzip, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Anlaßfall, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G289.1994Dokumentnummer
JFR_10049698_94G00289_01