RS Vfgh 1995/3/2 G289/94, G290/94, G299/94, G300/94, G1/95, G2/95, G3/95, G4/95, G5/95, G6/95, G19/9

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
Plandokument Nr 5582. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 30.05.80
Plandokument Nr 5688. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 26.03.82
Plandokument Nr 5708. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 25.11.83
Plandokument Nr 5778. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 25.09.86
Plandokument Nr 5796. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 27.06.84
Plandokument Nr 5883. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 24.06.87
Plandokument Nr 5993. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 23.10.92
Plandokument Nr 6105. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 07.02.90
Plandokument Nr 6132. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 14.12.90
Plandokument Nr 6205. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 24.05.91
Plandokument Nr 6211. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 12.12.91
Plandokument Nr 6286. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 25.06.92
Plandokument Nr 6481. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 21.04.93
Plandokument Nr 6548. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 15.04.94
Wr BauO 1930 §1

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen der Wr BauO 1930 über die Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne wegen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip infolge Fehlens eines für eine finale Determinierung notwendigen umfassenden Zielkatalogs bzw einer umfassenden Umschreibung der Planungsaufgaben und mangels einer Regelung über die Methode der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers; Aufhebung der aufgrund dieser verfassungswidrigen Vorschrift erlassenen Plandokumente mangels gesetzlicher Grundlage; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Gesetzesbestimmung auch auf eine vor Beratungsbeginn anhängig gewordene Verordnungsprüfungssache; Einstellung des zu dieser Sache eingeleiteten, jedoch nicht mehr in die dieselbe Gesetzesvorschrift betreffenden anderen Prüfungsverfahren einbeziehbaren Gesetzesprüfungsverfahrens

Rechtssatz

§1 Wr BauO 1930 idF LGBl 18/1976 (betreffend Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne) wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Will der Gesetzgeber den - in diesem Bereich des Raumordnungsrechtes wohl nicht gangbaren - Weg einer Determinierung durch die konkrete Widmung bestimmter Gebiete nicht beschreiten und ist er daher auf den einer finalen Determinierung verwiesen, so ist ein umfassender gesetzlicher Zielkatalog oder zumindest eine umfassende Umschreibung der Planungsaufgaben durch das Gesetz in inhaltlicher Hinsicht unabdingbar, weil sonst das Verwaltungshandeln weitgehend in einem rechtsfreien Raum stattfände und dementsprechend auch der verfassungsmäßig gebotene Maßstab für die Überprüfung der Verwaltungstätigkeit auf ihre Gesetzmäßigkeit vom Ansatz her fehlte. Es wäre überschießend, eine gesetzliche Ermächtigung als zulässig anzunehmen, die eine Planung ohne prinzipiell umfassend vorgegebene allgemeine Ziele erlaubt. Diese Ansicht kann auch weder durch eine Berufung auf das demokratische Prinzip - gleichsam unter dem Stichwort Bürgerbeteiligung - noch durch die an sich richtige Überlegung entkräftet werden, daß der Gestaltungsspielraum der Vollziehung mit dem Umfang eines (notwendigerweise) Zielkonflikte in sich bergenden Zielkataloges zunimmt.

Die einzelnen Bestimmungen der Wr BauO 1930 entnehmbaren Zielprogramme (zB der von der Landesregierung diesbezüglich ins Treffen geführte §6) betreffen nur Teilbereiche und enthalten sohin keinen umfassenden Zielkatalog im eben dargelegten Sinn.

Die Wr BauO 1930 enthält auch keine Regelung darüber, wie die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers zu erarbeiten sind. Es blieb unbestritten, daß die Wr BauO - etwa in ihren den Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung betreffenden Vorschriften (§3) - nur gleichsam formale Anordnungen für die Erstellung von Entscheidungsgrundlagen trifft, aber nicht die Methode selbst bindend vorschreibt (und daher im Vergleich zum mittlerweile gewonnenen rechtsstaatlichen Standard des Raumplanungsrechtes anderer Bundesländer weit zurückbleibt).

Aufhebung der aufgrund der verfassungswidrigen Vorschrift des §1 Wr BauO 1930 erlassenen Plandokumente.

Die in Prüfung gezogenen Plandokumente waren zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, und zwar auch das Plandokument 5778 im gesamten Umfang, da es insgesamt der gesetzlichen Grundlage entbehrt (Art139 Abs3 lita B-VG).

Bezüglich des Plandokumentes 5708, das in Ansehung des Plandokumentes 6536 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, daß jenes gesetzwidrig war.

Auch in dem Fall, in dem aus Anlaß einer erforderlichen Verordnungsprüfung ein Gesetzesprüfungsverfahren zwar eingeleitet wird, die Gesetzesprüfungssache aber aus Gründen des zeitlichen Verfahrensablaufes nicht mehr in die dieselbe Gesetzesvorschrift betreffenden anderen Prüfungsverfahren einbezogen werden kann (- hier: Fassung des Einleitungsbeschlusses G31/95 am 27.02.95, Beginn der Beratung in den anderen Gesetzesprüfungsfällen am heutigen Tag (02.03.95) -), wirkt die sodann ausgesprochene Aufhebung der Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig auf die schon vor Beratungsbeginn anhängig gewordene Verordnungsprüfungssache zurück. Das Plandokument 6548 war mithin, da es aufgrund einer verfassungswidrigen Gesetzesvorschrift erlassen worden war, (gleichfalls) als gesetzwidrig aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis erweist sich das aus Anlaß der Beschwerdesache B2840/94 bzw der Verordnungsprüfungssache V36/95 bezüglich des §1 Wr BauO 1930 eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren G31/95 als gegenstandslos; es war daher einzustellen.

(Anlaßfälle: B1588/92, E v 02.03.95, B2080/92, B1797/93, B1802/93, B979/94, B1455/94 ua, B1494/94, B1547/94, B1886/94, und B2840/94, alle E v 15.03.95, sowie B9/94, E v 16.03.95).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), Legalitätsprinzip, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Anlaßfall, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G289.1994

Dokumentnummer

JFR_10049698_94G00289_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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