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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt; keine Beeinträchtigung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft durch Äußerungen über Organentnahmen; keine Verletzung des Determinierungsgebotes durch Formulierung der ärztlichen StandespflichtenRechtssatz
Keine Bedenken gegen die Formulierung "Ansehen der österreichischen Ärzteschaft" in §95 Abs1 Z1 ÄrzteG über die Standespflichten eines Arztes im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis des Art18 B-VG.
Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß durch die inkriminierte Äußerung "die Herabsetzung von Ärztekollegen in der Öffentlichkeit" erfolgte. Der Beschwerdeführer hat lediglich seine Auffassung dargetan, daß es bei Organverpflanzungen notwendig sei, Organe Spendern bzw. Unfallopfern bereits zu einem Zeitpunkt zu entnehmen, zu dem der mit dem Eintritt des Todes einsetzende Zerfall der Organe noch nicht eingesetzt habe. Die Formulierung "müssen ... herausoperiert werden" bringt damit die Ansicht des Beschwerdeführers zum Ausdruck, daß Organverpflanzungen in einem von ihm als kritisch gewerteten Zeitpunkt zu erfolgen haben, wozu er seine Meinung pointiert äußert. Die inkriminierte Äußerung des Beschwerdeführers ist bei verfassungskonformer Auslegung des §95 Abs1 Z1 ÄrzteG jedenfalls nicht als disziplinär zu ahndende Darstellung des Standpunktes eines Arztes zu werten. Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß in einer demokratischen, kritische Betrachtungen auch einschlägiger Art jedenfalls nicht ungewohnten Gesellschaft die in Rede stehende Äußerung hingenommen werden kann, ohne daß die öffentliche Ordnung, der Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer Schaden erleiden.
Schlagworte
Ärzte, Disziplinarrecht Ärzte, Determinierungsgebot, MeinungsäußerungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1476.1993Dokumentnummer
JFR_10049698_93B01476_2_01