RS Vfgh 1995/3/2 V135/94, V148/94

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8040 Altstadterhaltung, Ortsbildschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art89 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art5
EMRK Art10
Sbg AltstadterhaltungsV 1982 §7 Abs3
Sbg AltstadterhaltungsG 1980 §9

Leitsatz

Kein Verstoß von Bestimmungen der Sbg AltstadterhaltungsV 1982 betreffend die Unzulässigkeit des Anbringens oder die Änderung von Ankündigungen zu Reklamezwecken im Bereich von Obergeschoßen gegen das Sbg AltstadterhaltungsG 1980; keine Verfassungswidrigkeit der Regelung mangels Übergangsbestimmungen; keine Bedenken im Hinblick auf das Eigentumsrecht und die Meinungsäußerungsfreiheit

Rechtssatz

Zulässigkeit der Anträge des VwGH auf Aufhebung des §7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982 zur Gänze.

Es ist offenkundig, daß der Verwaltungsgerichtshof §7 Abs3, erster Halbsatz, Sbg AltstadterhaltungsV 1982 (wonach mit Ausnahme von Steckschildern Ankündigungen nur im Bereich des Erdgeschoßes angebracht werden dürfen) anzuwenden hätte. Der erste Halbsatz des §7 Abs3 bildet sprachlich eine untrennbare Einheit.

Der bei einer Aufhebung des ersten Halbsatzes in §7 Abs3 verbleibende zweite Halbsatz würde lauten: "Steckschilder sind auch im Bereich des ersten Obergeschoßes zulässig." Eine solche Bestimmung aber wäre unverständlich, weil das Wort "auch" nach Aufhebung des ersten Halbsatzes seinen Sinn verlöre. Bei einer - ebenfalls denkbaren - Aufhebung des ersten Halbsatzes und des Wortes "auch" im zweiten Halbsatz hingegen bekäme der verbleibende Gesetzesteil insofern einen völlig veränderten Sinn, als dann Steckschilder ausschließlich im Bereich des ersten Obergeschoßes zulässig wären und nicht, wie bisher, im Bereich des Erdgeschoßes und des ersten Obergeschoßes.

§7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982 findet in §9 Abs1, erster Satz, Sbg AltstadterhaltungsG 1980 sowie in dessen litd eine gesetzliche Grundlage.

Durch §7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982 wird nicht eine bestimmte Gruppe von Maßnahmen, wie etwa das Anbringen von Ankündigungen, generell verboten. Normiert wird vielmehr, daß solche Ankündigungen, sofern es sich nicht um Steckschilder handelt, nur im Bereich des Erdgeschoßes angebracht werden dürfen. Wohl resultiert daraus im Ergebnis ein Verbot, solche Ankündigungen im Bereich der Obergeschoße anzubringen. §7 Abs3 normiert insofern aber vom Wortlaut her lediglich "nähere Bestimmungen" über sonstige Maßnahmen, die sich besonders auf das Stadtbild oder das Stadtgefüge auswirken können, iS der allgemeinen Anordnung des §9 Abs1, erster Satz, bzw. eine "Anforderung für die Zulässigkeit" iS des §9 Abs1 litd Sbg AltstadterhaltungsG 1980.

Die durch §9 Abs1 Sbg AltstadterhaltungsG 1980 iVm §7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982 getroffene Regelung ist nicht mangels Übergangsbestimmungen verfassungswidrig.

Durch die genannten Bestimmungen werden lediglich das Anbringen neuer und die Änderung bestehender Ankündigungen zu Reklamezwecken einer Genehmigungspflicht unterworfen sowie die Anforderungen für die Zulässigkeit solcher Maßnahmen normiert. Die Zulässigkeit bestehender Anlagen als solche wird durch diese Regelung nicht berührt.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß die getroffene Regelung dazu führen kann, daß die Genehmigung für die Anbringung neuer Anlagen im Bereich von Obergeschoßen auch dann zu versagen ist, wenn diese bereits bestehende Anlagen ersetzen, mögen die bestehenden Anlagen auch größer oder höher angebracht gewesen sein (ähnliches gilt für die Änderung bestehender Anlagen). Es kann jedoch dem Normgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er bei einer Durchschnittsbetrachtung davon ausging, daß sich Ankündigungen für Reklamezwecke im Bereich von Obergeschoßen generell auf das Stadtbild negativ auswirken, und im Hinblick darauf keine Sonderbestimmungen für die genannten Fälle vorsah.

Die in §9 Abs1 Sbg AltstadterhaltungsG 1980 iVm §7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982 getroffene Regelung, wonach das Anbringen oder die Änderung von Ankündigungen zu Reklamezwecken im Bereich von Obergeschoßen unzulässig ist, greift als Eigentumsbeschränkung in den Schutzbereich des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums ein.

Die getroffene Regelung berührt aber weder den Wesensgehalt dieses Grundrechtes noch verstößt sie gegen einen bindenden Verfassungsgrundsatz. Sie liegt im öffentlichen Interesse und ist auch nicht unverhältnismäßig.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher auch im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Meinungsäußerung keine Bedenken gegen §7 Abs3 Sbg AltstadterhaltungsV 1982, ohne daß geprüft werden mußte, ob in das zuletzt genannte Grundrecht überhaupt ein Eingriff erfolgte.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Baurecht, Stadtbild, Übergangsbestimmung, Vertrauensschutz, Ortsbildschutz, Eigentumsbeschränkung, Meinungsäußerungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V135.1994

Dokumentnummer

JFR_10049698_94V00135_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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