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56 Öffentliche WirtschaftNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zulässigkeit des Individualantrags eines (aktiven) ÖBB-Bediensteten auf Aufhebung einer Bestimmung des BundesbahnG 1992 betreffend die Fortsetzung der Rechte und Pflichten des Bundes durch das mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Unternehmen Österreichische Bundesbahnen infolge unmittelbaren, nachteiligen Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers; Aufhebung dieser, die Auswechslung des Dienstgebers festlegenden, als Eigentumsbeschränkung zu wertenden Norm wegen Verstoß gegen das Eigentumsrecht angesichts des Ausschlusses der Haftung des Bundes als früherer Dienstgeber für Bezugs- und Entgeltansprüche der bis zum Inkrafttreten des BundesbahnG 1992 in einem Dienstverhältnis zum Bund gestandenen BedienstetenRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags eines aktiven Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen auf Aufhebung des §21 Abs1 BundesbahnG 1992, soweit er sich auf aktive Bedienstete bezieht.
Die angefochtene Bestimmung bewirkt, indem sie bestimmt, daß das mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Unternehmen Österreichische Bundesbahnen die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fortsetzt, insofern eine Änderung des vertraglich begründeten, privatrechtlichen Dienstverhältnisses, als an die Stelle des bisherigen Dienstgebers ein anderer Dienstgeber tritt. Diese ein wesentliches Element des Dienstverhältnisses betreffende Änderung wird unabhängig vom Willen des Dienstnehmers unmittelbar durch das Gesetz bewirkt.
An die Stelle des Bundes als Dienstgeber, der über einen - praktisch - unbegrenzten "Deckungsfonds" verfügt, tritt eine Gesellschaft, auf die die Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung sinngemäß anzuwenden sind. Damit ist die Erfüllung der Bezugsansprüche des Antragstellers durch den gesetzlich bestimmten neuen Dienstgeber nicht im gleichen Maße gewährleistet wie dies der Fall war, solange das Dienstverhältnis mit dem Bund bestand. Der Antragsteller ist von der angefochtenen Vorschrift, soweit sie sich auf aktive Bedienstete bezieht, auch aktuell betroffen.
In §21 Abs1 BundesbahnG 1992, BGBl 825, werden die Worte "den aktiven Bediensteten und" wegen Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums als verfassungswidrig aufgehoben.
Auch ein Gesetz, das, wie hier §21 Abs1 BundesbahnG 1992, einen privatrechtlichen Vertrag durch Auswechslung eines der beiden Vertragsteile - des Dienstgebers - unmittelbar verändert, greift allein schon dadurch in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile - und daher hier des Dienstnehmers - ein. Ein Eigentumseingriff ist daher in einem solchen Fall selbst dann gegeben, wenn (auch) die aus dem Vertrag erfließenden Pflichten des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer keine Änderung erfahren. Die Auswechslung eines der beiden Vertragsteile greift in das Eigentumsrecht auch des anderen Vertragsteiles ein. Sie bildet eine Eigentumsbeschränkung (ebenso E v 12.06.96, G1300/95).
Es steht außer Zweifel, daß der "Ausgliederung" der Österreichischen Bundesbahnen aus der Wirtschaftsverwaltung des Bundes in der Weise, daß die Besorgung der den Österreichischen Bundesbahnen übertragenen Aufgabe einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit übertragen wird, keinerlei verfassungsrechtliche Hindernisse entgegenstehen.
Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er es im Hinblick auf die angestrebte, durch die EG-Richtlinie 91/440/EWG (vom 29.07.91 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft) geforderte Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Österreichischen Bundesbahnen und die ihren Organen aufgetragene eigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer Aufgaben für im öffentlichen Interesse geboten erachtete, die Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen insoweit, als sie vormals in einem - privatrechtlichen - Dienstverhältnis zum Bund gestanden waren, in ein Dienstverhältnis zu der neu gegründeten Gesellschaft überzuleiten.
Wenngleich das Gesetz noch als eine der Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Österreichischen Bundesbahnen dienliche Regelung mit dem öffentlichen Interesse an dieser Unabhängigkeit gerechtfertigt werden kann, geht die Regelung über das zur Verwirklichung dieses Zieles Notwendige insoweit hinaus, als sie auch die bloße Haftung des Bundes (als früherer Dienstgeber) für die Bezugs- bzw Entgeltansprüche jener aktiven Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des §21 Abs1 BundesbahnG 1992 (01.01.93) in einem Dienstverhältnis zum Bund befanden, ausschließt.
Da der Ausschluß dieser Haftung zur Erreichung des Regelungszweckes nicht erforderlich ist, hält sich der in Rede stehende Eigentumseingriff nicht innerhalb der durch das Gebot der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenze.
Die Aufhebung der Worte "den aktiven Bediensteten und" bewirkt, daß §21 Abs1 BundesbahnG 1992 auf die aktiven Bediensteten der Gesellschaft Österreichische Bundesbahnen, die vor dem 01.01.93 als Bedienstete der Österreichischen Bundesbahnen in einem Dienstverhältnis zum Bund gestanden sind, vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung an nicht mehr Anwendung findet. Das hat zur Folge, daß von diesem Zeitpunkt an der durch die aufgehobene Bestimmung bewirkte Eingriff in das - vertraglich begründete, inhaltlich stets unverändert gebliebene - Dienstverhältnis beseitigt wird und dieses wiederum, wie dies vor dem Eingriff der Fall war, zwischen dem Dienstnehmer und dem Bund als Dienstgeber besteht.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Bundesbahnbedienstete, EU-Recht Richtlinie, VfGH / Aufhebung Wirkung, Haftung, EigentumsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G28.1993Dokumentnummer
JFR_10049691_93G00028_01