TE Vfgh Erkenntnis 2004/12/1 B487/04

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Veröffentlicht am 01.12.2004
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art7
EMRK 7. ZP Art4
RL-BA 1977 §50

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Androhung des Abgehens von der Pauschalvereinbarung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt, weil er Ehre und Ansehen des (Rechtsanwalts-)Standes verletzt habe, indem er seiner Mandantin das Abgehen von einer Pauschalhonorarvereinbarung angedroht habe.

Von weiteren Vorwürfen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.

1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) vom 1. Dezember 2003 wurde der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Disziplinarrates erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Hingegen gab die OBDK der Berufung des Kammeranwaltes Folge und änderte die angefochtene Entscheidung in ihrem Strafausspruch dahingehend ab, dass über den Beschwerdeführer eine Geldbuße von € 700,- verhängt wurde.

In ihrer Begründung führte die OBDK aus, der Beschwerdeführer habe mit seiner Mandantin auf Basis der betreffenden Bemessungsgrundlagen ein Pauschalhonorar über ATS 96.000,-

vereinbart. Die Honorarnote trage den Hinweis, dass der veranschlagte Pauschalhonorarbetrag lediglich im Fall der umgehenden und gänzlichen Bezahlung gelte. Mit Schreiben vom 25. Juni 2001 habe die Klientin beim Beschwerdeführer reklamiert, dass ein Betrag von ATS 13.124,-

doppelt verrechnet worden sei. Mit Schreiben vom 4. Juli 2001 habe der Beschwerdeführer seine Mandantin darauf hingewiesen, dass die veranschlagte Pauschalierung bewirke, dass eine allfällige Doppelverrechnung von Leistungen irrelevant sei. Weiters habe er sie ersucht, die gesamten ATS 96.000,- einzubezahlen, andernfalls werde er sich nicht mehr an die Honorarabsprache halten bzw. gegebenenfalls ein höheres Gesamthonorar verlangen.

2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet wird. Weiters behauptet der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Klarheitsgebot iSd. Art7 EMRK und einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot iSd. Art4, 7. ZP EMRK und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.

3. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Zur behaupteten Verletzung des Klarheitsgebotes iSd. Art7 EMRK führt die Beschwerde aus, dass sich das angefochtene Erkenntnis auf keine hinreichend determinierte Bestimmung stütze. Die belangte Behörde habe auf die Schuldzumessung durch die Behörde erster Instanz verwiesen und die vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Schuldberufung vorgebrachten Aspekte leichtfertig abgetan.

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - sich nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Erkenntnis aus, dass ein Rechtsanwalt nach §50 RL-BA an eine einmal getroffene Pauschalkostenvereinbarung gebunden und nicht berechtigt ist, darüber hinausgehende Kosten zu verrechnen.

Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes auch im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation dieser Bestimmung für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich dass er sich durch die Androhung des Abgehens von einer Pauschalhonorarvereinbarung aus Gründen, die nicht seine Mandantin, sondern er - aufgrund der doppelten Verrechnung einer Leistung - selbst zu vertreten hat, einer Bestrafung aussetzt.

Der angefochtene Bescheid steht daher im Lichte der zitierten Rechtsprechung mit dem aus Art7 EMRK erfließenden Klarheitsgebot im Einklang.

2.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz führt der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde vom Inhalt der Akten abgegangen sei und den Umstand, wonach die betreffende Honorarabsprache nur unter der Bedingung der "umgehenden und gänzlichen Bezahlung" gegolten habe, ignoriert habe.

2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14848/1997, 15241/1998 mwN, 16287/2001 16640/2002).

Die belangte Behörde legt in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dar, wie sie zur Annahme der Androhung des Abgehens von der Pauschalhonorarvereinbarung und dem daraus resultierenden Vorwurf der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes kam. Ein Abgehen vom Akteninhalt ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Jedenfalls setzte sich die belangte Behörde mit dem Argument des Beschwerdeführers, dass der Pauschalhonorarbetrag nur unter der Bedingung der "umgehenden und gänzlichen Bezahlung" gelte, auf den Seiten 3 und 4 des angefochtenen Bescheides auseinander.

Somit wurde das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hier nicht verletzt.

3.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter führt die Beschwerde aus, die belangte Behörde habe ihre Entscheidungsbefugnis überschritten, weil sie sich von den Feststellungen des erstinstanzlichen Erkenntnisses entfernt und einen "Erschwerungsgrund sui generis" geschaffen habe.

3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt, insbesondere wenn sie eine Strafbefugnis in Anspruch nimmt, für die jegliche Rechtsgrundlage fehlt (VfSlg. 9401/1982, 10137/1984, 12172/1989, 15595/1999).

Die von der Behörde herangezogenen Rechtsvorschriften billigen ihr eine Strafbefugnis zu. Ob die Behörde das Gesetz richtig angewendet hat, ist eine Frage, die nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu beurteilen ist (vgl. VfSlg. 15240/1998, 16268/2001 und 16523/2002).

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wurde daher nicht verletzt.

4.1. Zur behaupteten Verletzung des Art4, 7. ZP EMRK führt der Beschwerdeführer aus, dass es der belangten Behörde verwehrt sei, dem bereits in Rechtskraft erwachsenen Teil des erstinstanzlichen Bescheides ein weiteres Ermittlungsverfahren anzufügen. Die belangte Behörde habe mit ihrem weitergehenden Ausspruch über den Tatvorwurf ihre Entscheidungsbefugnis überschritten. Außerdem habe sie die Leistung, welche doppelt verrechnet wurde, als einen weiteren Strafzumessungsgrund angenommen, obwohl der Beschwerdeführer von diesem Vorwurf freigesprochen worden war.

4.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, welches weitere Ermittlungsverfahren die belangte Behörde hinsichtlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Freispruches durchgeführt haben soll. Die "Doppelverrechnung" wurde dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid nicht vorgeworfen, sondern lediglich festgehalten, dass ein Rechtsanwalt von einer von ihm angegebenen Bemessungsgrundlage nicht abgehen darf. Der Strafausspruch wurde im Sinne der Berufung des Kammeranwaltes, der beantragte, dass statt des schriftlichen Verweises eine schuldangemessene Strafe verhängt werde, abgeändert.

Ob die Auslegung der angewendeten Rechtsvorschriften in jeder Hinsicht rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996, 15794/2000).

5. Der Beschwerdeführer ist in den von ihm behaupteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht verletzt worden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Doppelbestrafungsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B487.2004

Dokumentnummer

JFT_09958799_04B00487_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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