RS Vfgh 1995/6/16 B1583/93

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Veröffentlicht am 16.06.1995
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z6
B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art15a
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
KRAZAF-Vereinbarung, BGBl 863/1992
Krnt KundmachungsG §3 Abs1
Krnt Landes-Krankenanstaltenplan, LGBl 153/1992 §3
F-VG 1948 §4
KAG §28 Abs12
KAG §28 Abs4
KAG §28a Abs1
KAG §28a Abs2 Z1
KAG §28a Abs2 Z3
KAG §33 Abs3
Krnt KAO 1992 §53
Krnt KAO 1992 §53 Abs5
Krnt KAO 1992 §60 Abs1
Krnt KAO 1992 §70 ff
Krnt KAO 1992 §72 Abs5
Krnt KAO 1992 §73
Krnt KAO 1992 §73 Abs8
Krnt KAO 1992 §74

Rechtssatz

Ausreichende gesetzliche Determinierung der Krnt KAO 1992 zur Erlassung einer Regelung betreffend Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von öffentlichen Krankenanstalten im Krnt Landes-Krankenanstaltenplan; keine verschleierte Verfügung in Verordnungsform; kein Verstoß der Bestimmungen der Krnt KAO 1992 bzw des Krnt Landes-Krankenanstaltenplanes betreffend Regelung von Pflegegebührenersätzen durch Krankenversicherungsträger und die Zuständigkeit der Schiedskommission gegen die Kompetenzverteilung;

KRAZAF-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern kein Maßstab zur Beurteilung der den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften;

keine Bedenken gegen die Organisation der Schiedskommission; keine unzureichende Ausführung der grundsatzgesetzlichen Bestimmungen des KAG hinsichtlich Pflegegebührenersätze; keine verfassungswidrige Wiederverlautbarung der Krnt KAO infolge nachträglicher Berichtigung unterlaufener Fehler; keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung der Krnt KAO 1992 mangels vollständiger Übernahme eines grundsatzgesetzlichen Kriteriums infolge Festlegung des Landesgebietes als Beitragsbezirk und zugleich Krankenanstaltensprengel für alle öffentlichen Krankenanstalten

Die Krnt KAO 1992 enthält eine ausreichend gesetzlich determinierte Verordnungsermächtigung zur Erlassung des §3 Krnt Landes-Krankenanstaltenplan.

Aus der Wortfolge "die nach dem Krankenanstaltenplan nicht ausdrücklich als gleichartig oder annähernd gleichwertig bezeichnet sind" in §73 Abs8 Krnt KAO 1992 - die im übrigen mit der entsprechenden grundsatzgesetzlichen Anordnung des §28a Abs2 Z1 KAG wortgleich ist - ergibt sich expressis verbis eine gesetzliche Ermächtigung zur Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von Krankenanstalten durch Verordnung, näherhin durch den Krnt Landes-Krankenanstaltenplan.

Kriterien für die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von bestimmten Krankenanstalten ergeben sich aus §53 Krnt KAO 1992. §53 Abs1 handelt von der "Bedachtnahme auf die Ausstattung und Einrichtung, wie sie durch die Funktion der Krankenanstalt erforderlich sind" unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gebarung. Aus §53 Abs5 folgt weiters zum einen, daß die Landesregierung die Frage der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von Krankenanstalten in Abhängigkeit von den ihrer Funktion nach erforderlichen Einrichtungen zu beurteilen hat; zum anderen ergibt sich aus ihrer systematischen Stellung im Gesetz, näherhin in der Bestimmung, welche die Festsetzung von Pflege- und Sondergebühren zum Regelungsgegenstand hat, daß die dafür normierten Kriterien auch für die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit von Krankenanstalten durch den Krnt Landes-Krankenanstaltenplan maßgeblich sind.

Der Einwand, bei der Vorschrift des §3 Krnt Landes-Krankenanstaltenplan handle es sich um eine verfassungswidrige "verschleierte Verfügung in Verordnungsform" trifft nicht zu. Es ist zwar richtig, daß die zitierte Bestimmung unter namentlicher Bezugnahme auf fünf Krankenanstalten deren Gleichwertigkeit feststellt. Tatsächlich aber ist diese Vorschrift, wenn sie sich auch auf konkrete Objekte bezieht, eine solche mit einem abstrakt umschriebenen Adressatenkreis. Adressat des §3 Krnt Landes-Krankenanstaltenplan sind nicht (ausschließlich) die in ihm genannten Krankenanstalten, sondern (auch) die Krankenversicherungsträger, die mit den Krankenanstalten kontrahieren möchten.

§53 Abs5, §72 Abs5, §73 und §74 Krnt KAO 1992 sowie §3 Krnt Landes-Krankenanstaltenplan verstoßen nicht gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung.

Die Ermächtigung zur Regelung von Pflegegebührenersätzen durch Krankenversicherungsträger ist keine Angelegenheit des Kompetenztatbestandes "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs1 Z6 B-VG), sondern eine Angelegenheit des Art12 Abs1 Z1 B-VG, also eine solche des Kompetenztatbestandes "Heil- und Pflegeanstalten". Auch die Vorschrift des §28 Abs12 KAG, welcher für bestimmte Fälle die Zuständigkeit von Schiedskommissionen zur Entscheidung über die zwischen dem Träger einer Krankenanstalt und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger durch Vertrag zu regelnden Angelegenheiten vorsieht, ist in kompetenzrechtlicher Hinsicht unbedenklich (vgl VfSlg 12470/1990).

Vereinbarungen gemäß Art15a B-VG verpflichten als solche nur die Vertragsparteien. Zur Aktualisierung der durch sie intendierten Rechtswirkungen über die Bindung der Vertragspartner untereinander hinaus bedürfen sie der Transformation. Sie stellen daher keine Zwischenstufe zwischen einfachem Landesrecht und Landesverfassungsgesetzen dar. Die KRAZAF-Vereinbarung, BGBl 863/1992, stellt somit keine höherrangige Norm dar, an welcher die Krnt KAO 1992 und der Krnt Landes-Krankenanstaltenplan gemessen werden können.

§4 F-VG 1948 ordnet an, daß bei der Regelung des Finanzausgleiches darauf Bedacht zu nehmen ist, "daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden."

Die beschwerdeführenden Parteien behaupten, daß durch die von ihnen gerügten Bestimmungen der Krnt KAO 1992 und des Krnt Landes-Krankenanstaltenplanes eine Lastenverschiebung zum Nachteil der Sozialversicherungsträger bewirkt worden sei. Daß es sich bei diesen aber um keine Gebietskörperschaften handelt und daß die zitierte Verfassungsvorschrift daher für das gegenständliche Verfahren ohne Relevanz ist, ist offensichtlich.

Die im Hinblick auf Art6 Abs1 EMRK gegen die Organisation der Schiedskommission (§73 Krnt KAO 1992) vorgebrachten Bedenken treffen nicht zu (vgl E v 16.06.95, B395/93).

Eine bescheidmäßige Ernennung von Mitgliedern eines Tribunals ist durch Art6 EMRK nicht gefordert.

Die Qualität einer Behörde als unabhängiges Tribunal iSd Art6 EMRK fällt nicht allein dadurch weg, daß ihre Entscheidungen reflexartige finanzielle Auswirkungen auf jene Gebietskörperschaft haben, der die entscheidende Behörde organisatorisch zuzuordnen ist.

Bei den "Pflegegebühren" gemäß §28 Abs4 KAG handelt es sich offensichtlich um Pflegegebührenersätze. Kommt innerhalb von zwei Monaten nach der Aufkündigung eines Vertrages gemäß §28 Abs4 KAG, also eines privatrechtlichen Vertrages über die von den Trägern der Sozialversicherung an die Träger der Krankenanstalten zu entrichtenden "Pflegegebühren", kein neuer Vertrag zustande, so entscheidet gemäß Abs12 leg cit die Schiedskommission auf Antrag über diese Angelegenheit. Bei einer solchen Entscheidung nach §28 Abs12 KAG aber handelt es sich, wie §28a Abs1 leg cit klarstellt, um die "Festsetzung der Höhe der Pflegegebührenersätze".

Es ist vom Wortlaut des §72 Abs5 Krnt KAO 1992 her (arg "vereinbart") und nach dem zu §28 und §28a KAG Gesagten offensichtlich, daß §72 Abs5 Krnt KAO 1992 Pflegegebührenersätze zum Regelungsgegenstand hat. Der Beschwerdevorwurf, daß die zitierte Bestimmung infolge ausschließlicher Regelung der Pflegegebühren und nicht auch der Pflegegebührenersätze das KAG unzureichend ausführe, erweist sich damit als verfehlt.

Es ist offensichtlich, daß in der Wiederverlautbarung der Krnt KAO mit Kundmachung vom 15.12.92, LGBl 2/1993, zwischen §70 Krnt KAO 1992 und §73 leg cit etwas fehlte, daß somit ein Fehler (iSd §3 Abs1 Krnt KundmachungsG) unterlaufen ist. Die Landesregierung hat den ihr unterlaufenen Fehler mit Kundmachung vom 09.03.93, LGBl 28/1993, berichtigt, indem §70 Abs2 Krnt KAO 1992 ein Abs3 sowie §71 und §72 Abs1 und Abs2 Krnt KAO 1992 - wie diese Bestimmungen richtigerweise wiederzuverlautbaren gewesen wären - angefügt wurden. Dieses Vorgehen der Landesregierung, welche sowohl die Wiederverlautbarung als auch deren Berichtigung beschloß, erscheint dem Verfassungsgerichtshof im hier vorliegenden Zusammenhang unbedenklich.

§33 Abs3 KAG ermöglicht es der Landesgesetzgebung zu bestimmen, "daß das Landesgebiet Beitragsbezirk und Krankenanstaltensprengel für alle öffentlichen Krankenanstalten ist." Von dieser grundsatzgesetzlichen Ermächtigung hat die Krnt KAO 1992 Gebrauch gemacht. Ihr §60 Abs1 legt fest, daß für alle öffentlichen Krankenanstalten in Kärnten das Bundesland Beitragsbezirk und Krankenanstaltensprengel zugleich ist. Sind aber aufgrund dieser Gesetzesvorschrift alle öffentlichen Krankenanstalten des Landes Kärnten für die Bevölkerung des ganzen Landes bestimmt, so bleibt für die Übernahme des Kriteriums des §28a Abs2 Z3 KAG durch die Krnt KAO 1992 kein Raum. Von einer Grundsatzgesetzwidrigkeit des §73 Abs8 Krnt KAO 1992 in diesem Punkt kann daher keine Rede sein.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Krankenanstalten, Pflegegebühren, Verordnung, DurchführungsV, verschleierte Verfügung, Gesetz Kundmachung, Kundmachung Gesetz, Kompetenz Bund - Länder Krankenanstalten, Wiederverlautbarung, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1583.1993

Dokumentnummer

JFR_10049384_93B01583_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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