TE Vfgh Erkenntnis 2004/12/3 B710/02

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Veröffentlicht am 03.12.2004
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Eingabe vom 27. Juli 2000 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Büro- und Wohnhauses auf der Liegenschaft in Wien 13, Küniglberggasse 42. Im Zuge des Baubewilligungsverfahrens modifizierte der Bauwerber das Bauvorhaben unter Reduzierung des Volumens des Baukörpers. Für die Liegenschaft galten im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6299, folgende Festlegungen: die Widmung Wohngebiet-Geschäftsviertel, Bauklasse I, geschlossene Bauweise, eine höchstzulässige Gebäudehöhe von 4,5 m, 4 m Vorgartentiefe, seitliche Baufluchtlinien, die ein Heranrücken des Baukörpers an die seitlichen Grundstücksgrenzen bis auf 2 m beiderseits ermöglichten. Für das in Rede stehende Grundstück war die Errichtung von Staffelgeschossen an den zu den Baulinien orientierten Schauseiten der Gebäude untersagt; außerdem durfte der oberste Abschluss der errichteten Gebäude max. 4,5 m über der oberen Deckenoberkante des obersten Hauptgeschosses liegen.

Der Magistrat der Stadt Wien wies mit Bescheid vom 5. Oktober 2001 gemäß §70 iVm §69 Abs6 und gemäß §71 BO f Wien unter Bezugnahme auf den Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom 6. August 1999, dessen weitere Gültigkeit am 5. April 2000 bestätigt wurde, den Antrag auf Baubewilligung zur Errichtung eines Büro- und Wohnhauses auf der Liegenschaft Küniglberggasse Nr. 42 ab. Die geplante "dreigeschossige" Staffelung widerspreche sowohl den Bebauungsbestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr. 6299, als auch dessen "Zielrichtung".

Die Bauoberbehörde für Wien wies die dagegen erhobene Berufung mit bekämpftem Bescheid vom 13. Februar 2002 ab. Das beantragte, modifizierte Bauvorhaben mit einer Gebäudetiefe von ca. 30 m weiche von den Bebauungsbestimmungen insofern ab, als es entlang der Küniglberggasse eine zweifache Staffelung aufweise. Eine einmalige Gliederung der Baumasse mit einer Unterteilung des Baukörpers in zwei Teile mit jeweils 15 m (Gebäude)Tiefe wäre - wie auch die Behörde erster Instanz zutreffender Weise näher ausgeführt habe - als maßgebender Grund für eine erforderliche und als unwesentlich zu wertende Abweichung von den Bebauungsvorschriften gemäß §69 Abs1 litf BO f Wien anzusehen und würde eine sinnvolle Bebaubarkeit des ansteigenden Grundstückes ermöglichen. Dem Berufungsvorbringen sei insofern beizupflichten, als die Bebauungsbestimmungen kein Verbot sonstigen Staffelns der Baumassen vorsähen. Den Einreichplänen sei jedoch zweifelsfrei zu entnehmen, dass Staffelgeschosse im Sinne von übereinander gestaffelten Geschossen und nicht eine Gliederung der Baumassen entsprechend dem Geländeverlauf geplant seien.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Die Bauoberbehörde für Wien als belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

4. Die Nachbarn erstatteten als mitbeteiligte Parteien eine Äußerung, in der sie zur Beschwerde Stellung nehmen und anregen, aus anderen Gründen von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 14. Juni 2004 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien betreffend den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6299, beschlossen vom Gemeinderat der Stadt Wien am 25. Juni 1992, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 28 vom 9. Juli 1992 idF der Verordnung des Stadtsenates über Flächenwidmungs- und Bebauungspläne 13. Bezirk, Z MA 21B - VO 13/96, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 20 vom 16. Mai 1996, soweit damit für das Grundstück Küniglberggasse Nr. 42 der Zusatz zur Widmung Wohngebiet als "Geschäftsviertel", die geschlossene Bauweise, die maximale Gebäudehöhe von 4,5 m, sowie die Baufluchtlinien festgelegt sind, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2004, protokolliert zu V46/04, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die in Prüfung gezogene Verordnung in näher bezeichnetem Umfang gesetzwidrig war.

2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- und eine Eingabegebühr in der Höhe von € 180,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B710.2002

Dokumentnummer

JFT_09958797_02B00710_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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