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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art133 Z1Leitsatz
Gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung über Beschwerden betreffend Feststellungsbescheide bezüglich der Zivildienstpflicht durch den Verwaltungsgerichtshof; Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes auch im Falle der Ablehnung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof und Zurückweisung der abgetretenen Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof mangels Zuständigkeit; Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs lediglich zur Prüfung grober Verfahrensmängel auch beim verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung; Kompetenz zur Wahrnehmung sonstiger Verfahrensmängel beim VerwaltungsgerichtshofRechtssatz
Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß auch bei einer solchen Fallkonstellation ein Kompetenzkonflikt, der von ihm gemäß Art138 Abs1 litb B-VG zu entscheiden ist, vorliegen kann; nämlich dann, wenn entweder die Abtretung unzulässig war, weil es sich um einen Fall handelt, der gemäß Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist und dessen Behandlung daher gemäß Art144 Abs2 B-VG vom Verfassungsgerichtshof nicht hätte abgelehnt werden dürfen, oder aber - sofern dies nicht der Fall ist - wenn der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit in derselben Sache zu Unrecht verneint hat. Der Verfassungsgerichtshof meint, daß in solchen Fällen ein Kompetenzkonflikt im Sinne des Art138 Abs1 litb B-VG besteht, weil dem Verfassungsgesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, daß er insofern eine Verfassungslücke in Kauf genommen hätte.
Dieser Beschluß (des VfGH iSd Art144 Abs2 B-VG) hat für den Beschwerdeführer dieselbe Wirkung wie die wegen (angenommener) Unzuständigkeit erfolgte Verweigerung einer Sachentscheidung. Das zum Zeitpunkt der Erlassung des Art138 Abs1 litb B-VG noch nicht bestandene Institut der Ablehnung einer Beschwerdebehandlung bedeutet also im Effekt für die Partei des Verfahrens das gleiche wie eine Ablehnung der Zuständigkeit i.S. der eben zitierten Verfassungsvorschrift.
Eine dem Rechtsstaatsprinzip entsprechende Auslegung des §46 Abs1 VfGG gebietet die Annahme, es bestehe in solchen Fällen ein negativer Kompetenzkonflikt (vgl. VfSlg. 13.030/1992).
Der Verfassungsgerichtshof hat beim verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung - abgesehen davon, ob materiellrechtliche Fehler unterlaufen sind - nur zu prüfen, ob grobe Verfahrensmängel vorliegen; im übrigen fehlt ihm die Prüfungszuständigkeit. Die Kompetenz zur Wahrnehmung sonstiger Verfahrensfehler liegt vielmehr beim Verwaltungsgerichtshof.
Hieraus ergibt sich, daß die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes, mit denen den Einschreitern Sachentscheidungen verweigert wurden, nicht dem Gesetz entsprachen.
Ferner steht fest, daß die Ablehnungsbeschlüsse des Verfassungsgerichtshofes rechtmäßig waren, weil die Fälle nicht nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen waren - handelte es sich doch (wie dargetan) nicht um Angelegenheiten, die zur (ausschließlichen) Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören.
Sohin war einerseits auszusprechen, daß die Entscheidung über die vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt; andererseits waren dessen entgegenstehende Beschlüsse aufzuheben.
(E v 27.11.95, KI-10/95 - mit Verweis auf Begründung von KI-6/95).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rechtsstaatsprinzip, VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Abtretung, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, Rechtsschutz, Zivildienst, VfGH / AblehnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:KI6.1995Dokumentnummer
JFR_10049370_95K00I06_01