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92 LuftverkehrNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren zur Untersuchung eines Flugunfalls sowie eines Individualantrags auf Aufhebung von Teilen der Zivilluftfahrt- Störungsverordnung; keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Zuerkennung einer Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren; kein rechtliches Interesse des antragstellenden Hubschrauberpiloten an der Vornahme einer Flugunfallsuntersuchung; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslosSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Einschreiter war seinen Angaben zufolge der Pilot eines Hubschraubers, der am 7. März 1985 nach Triebwerksausfall in einen Wald bei Mariazell abgestürzt ist. Alle Insassen hätten überlebt. Am 20. April 1990 sei das Gutachten der Flugunfallskommission erschienen, in dem Kraftstoffunterbrechung bei Seitwärtsflug als "durchaus wahrscheinliche" Ursache vermutet worden sei. Diese Vermutung sei jedoch durch keinerlei technische Erhebungen gestützt. Der Einschreiter habe sich erfolglos um eine Wiederaufnahme der amtlichen Untersuchung des Unfalls bemüht, und zwar unter Vorlage von "Tatsachen, die im Gutachten nicht berücksichtigt sind und ein erheblich anderes Ergebnis erwarten lassen".
Der Einschreiter beantragt
"die Aufhebung der Wortfolgen 'Als', 'jedenfalls' und 'zu behandeln' im §30 Abs1 ZSV 1978 BGBL Nr. 152/1978 idF BGBL Nr 35/1982, II/376/1999".
2.1. §30 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 9. März 1978 über Störungen in der Zivilluftfahrt (Zivilluftfahrt-Störungsverordnung - ZSV 1978), BGBl. Nr. 152/1978, lautete (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):
"§30. (1) Flugunfallsuntersuchungen sind in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§45 bis 55 AVG 1950 zu führen. Als Parteien des Verfahrens sind jedenfalls die betroffenen Zivilluftfahrzeughalter, Besatzungsmitglieder und Unfallsgeschädigten zu behandeln. Die Flugunfallskommissionen haben sich bei den Untersuchungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen."
(Die vom Antragsteller zitierte Novelle BGBl. Nr. 35/1982 ließ diese Bestimmung unverändert.)
§32 Abs3 ZSV 1978 sah vor, dass das (damalige) Bundesministerium für Verkehr die Wiederaufnahme der Flugunfallsuntersuchung anzuordnen hat(te), "wenn neue Tatsachen bekannt werden, auf Grund deren ein anderes Untersuchungsergebnis zu erwarten ist".
2.2. Die ZSV 1978 trat mit Inkrafttreten der Zivilluftfahrt-Such- und Rettungsdienstverordnung 1999 - ZSRV 1999, BGBl. II Nr. 376/1999, das war am 1. Oktober 1999 (§27 Abs1 ZSRV 1999), grundsätzlich außer Kraft. Einige Bestimmungen der ZSV 1978 - darunter die §§30 und 32 - sind jedoch noch "auf jene Fälle anzuwenden, die sich vor dem 1. Oktober 1999 ereignet haben" (§27 Abs2 ZSRV 1999).
2.3. Die ZSV 1978 war unter anderem aufgrund der §§135 bis 138 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957, (im Folgenden: LFG) erlassen worden.
§137 LFG lautete auszugsweise:
"§137. Flugunfallskommission.
(1) Unfälle von Zivilluftfahrzeugen, die zur Tötung oder schweren Verletzung von Personen oder zur erheblichen Beschädigung eines Luftfahrzeuges geführt haben, sind unbeschadet sonstiger behördlicher Erhebungen von einer Flugunfallskommission zu untersuchen. Zweck der Untersuchung ist es, dem Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft ein Gutachten über die Unfallsursachen zu erstatten und Maßnahmen zur Vermeidung derartiger Unfälle vorzuschlagen.
(2) [...]
(3) Das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft hat die näheren Vorschriften über die Führung der Untersuchungen unter Bedachtnahme auf den Zweck der Untersuchung durch Verordnung zu erlassen."
II. Der Antrag ist nicht zulässig:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 12.632/1991).
2. Der Einschreiter führt aus, dass "[d]ie Rechtssphäre der Beteiligten, vor allem die des verantwortlichen Piloten, [...] durch ein mangelhaftes Gutachten ganz erheblich nachteilig berührt" sei. Er habe ein rechtliches Interesse an Parteiengehör zu seiner These der Unfallursache, an der vollständigen Ermittlung der Tatsachen sowie an der "Zurverfügungstellung eines wahrheitsgetreuen, vollständigen Beweismittels", zumal das Gutachten der Flugunfallskommission oft das einzige Beweismittel zur Verfolgung rechtlicher Ansprüche sei. Nach Aufhebung der bekämpften Teile des §30 Abs1 ZSV 1978 wäre seines Erachtens "die Parteistellung zwingend festgelegt".
3. Entgegen der Auffassung des Einschreiters würde die beantragte Aufhebung seine Rechtsposition aber nicht berühren. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Aufhebung der bekämpften Verordnungsstellen auf das Verfahren der Flugunfallskommissionen auswirkte, ist dem Einschreiter Folgendes entgegenzuhalten:
Wie bereits im hg. Beschluss vom 23. September 2003, V67/03, aus Anlass eines gleich gelagerten Individualantrags des nunmehrigen Einschreiters unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 31. Jänner 1996, 96/03/0001; 3. Mai 2000, 2000/03/0029) ausgeführt wurde, bewirkt §30 Abs1 (zweiter Satz) ZSV 1978 jedenfalls keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers: Die Flugunfallskommissionen sind keine Behörden, sondern Sachverständigenkollegien. Ihren Gutachten, die keine Verwaltungsakte sind, kommt Rechtsverbindlichkeit nicht zu, weshalb sie auch nicht in die Rechtssphäre der Verfahrensparteien eingreifen. Da Flugunfallsuntersuchungen ausschließlich zur Wahrung öffentlicher Interessen durchgeführt werden, sind den in §30 Abs1 ZSV 1978 genannten Personen keine subjektiven Rechte auf Vornahme oder Abstandnahme von Flugunfallsuntersuchungen eingeräumt.
Der Antrag auf Aufhebung von Teilen des §30 Abs1 (zweiter Satz) ZSV 1978 war daher schon deshalb mangels Legitimation des Einschreiters zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Luftfahrt, Verwaltungsverfahren, Parteistellung Luftverkehr, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Zuständigkeit, Behördenbegriff, Rechte subjektive öffentlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:V55.2004Dokumentnummer
JFT_09958794_04V00055_00