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26 Gewerblicher RechtsschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Gleichheitsrechtes durch das Zugabenverbot im UWG; keine Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Regelung angesichts des weitreichenden, sachlich gerechtfertigten Ausnahmekatalogs; keine unsachliche Differenzierung zwischen Verbrauchern und UnternehmernRechtssatz
Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß die antragstellenden Gerichte die angegriffene Bestimmung bei Erledigung des bei ihnen anhängigen Rekurses bzw. Revisionsrekurses anzuwenden hätten. Daß die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit allenfalls ergibt, daß die Norm verfassungskonform auszulegen ist und dies ihre Nichtanwendung in den Anlaßfällen zur Folge hat, verschlägt dabei nichts (vgl. VfSlg. 12.572/1990).
Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsausübungsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, daß Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (vgl. VfSlg. 11.558/1987 mwH, 11.853/1988, 12.379/1990, 12.481/1990).
Abweisung der Anträge auf Aufhebung des Zugabenverbotes des §9a Abs1 Z2 UWG idF BGBl 147/1992 und BGBl 227/1993.
Die bekämpfte Regelung bezweckt, bestimmte Formen des Mißbrauches von Marktmacht durch die Statuierung des Verbotes bestimmter Zugaben zu unterbinden.
Mag es den antragstellenden Gerichten auch verfehlt erscheinen, daß die zu Schützenden auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden können, kann darin nicht eine absolut untaugliche Regelung erblickt werden, die Marktübermacht nachfragender Unternehmer abzuwehren.
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit.
Die vorgetragenen Bedenken wenden sich nicht gegen die bekämpfte Regelung, sondern gegen jene Bestimmungen, die Ausnahmen hievon vorsehen.
Ebenso bloß rechtspolitischen Charakters ist der Hinweis auf die mangelnde Gesetzessystematik; weder Art6 StGG noch eine andere Verfassungsvorschrift gebietet, daß die bekämpfte Regelung nicht im UWG enthalten sein dürfte, sondern im Rahmen des NahversorgungsG oder RabattG zu erlassen wäre.
Daß weitergehende oder "schärfere" Regelungen in der Regel wirksamer sind, ist offenkundig. Da es sich jedoch um Grundrechtseingriffe handelt, ist idR der mildere bzw. weniger weitreichende Eingriff grundrechtsfreundlicher und grundrechtskonformer.
Angesichts der durch die Ausnahmen des §9a Abs2 UWG offenstehenden Möglichkeiten, autonom unternehmerische Entscheidungen zu treffen, vermag der Verfassungsgerichtshof keine Unverhältnismäßigkeit der Regelung zu erkennen. Dies zumal unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß die bestehende Marktübermacht der potentiellen Abnehmer durchaus dafür eingesetzt zu werden vermag, den verkaufenden Unternehmer zu nur scheinbar "freiwilligen" Zugaben zu drängen.
Keine Verletzung des Gleichheitsrechtes.
Es bestehen aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus der Sicht des Gleichheitssatzes, insoweit in den Anträgen vorgebracht wird, es werde Ungleiches - nämlich durch Marktmacht erzwungene und freiwillige Zugaben - gleich behandelt. Die sachliche Rechtfertigung hiefür ergibt sich daraus, daß der Gesetzgeber nur bestimmte Zugabenformen zuläßt und andere nicht, was innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes gelegen ist; insoweit der Gesetzgeber aber eine Gruppe von Zugaben verbietet, ist es ihm im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines differenzierten Systems unbenommen, nur solche Ausnahmen vorzusehen, die das angestrebte Ziel nicht gefährden.
Aber auch der Vorwurf, die bekämpfte Regelung sei deshalb gleichheitswidrig, weil sie zwischen Verbrauchern und Unternehmern differenziere, trifft nicht zu. Zunächst ist es von vornherein offenkundig, daß mit Blick auf das Wirtschaftsleben zwischen beiden Gruppen grundsätzliche Unterschiede bestehen. Ferner geht es beim hier bekämpften Zugabenverbot gerade nicht um den allgemein üblichen Zweck, Preisverschleierungen zu verhindern und die Kaufentscheidung zu versachlichen, sondern um die Verhinderung des Mißbrauchs von Marktmacht; solchen könnten aber bei typisierender Betrachtungsweise nur bestimmte Großunternehmer, nicht jedoch einzelne Verbraucher ausüben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Auslegung verfassungskonforme, Erwerbsausübungsfreiheit, Wettbewerb unlauterer, Zugabenverbot, Rechtspolitik, Grundrechte EingriffsnäheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G208.1994Dokumentnummer
JFR_10049072_94G00208_01