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77 Kunst, KulturNorm
B-VG Art10 Abs1 Z13Leitsatz
Aufhebung einer Regelung des DenkmalschutzG betreffend das Verbot der Errichtung störender Bauten in der Umgebung von unbeweglichen Denkmalen wegen Fehlens einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes; Regelungen betreffend ein Verbot oder eine Beschränkung der Errichtung von Bauten in der Umgebung von unbeweglichen Denkmalen zum Zweck des Schutzes solcher Denkmale gegen Beeinträchtigungen ihrer überlieferten Erscheinung oder künstlerischen Wirkung nicht unter den Kompetenztatbestand "Denkmalschutz" subsumierbarRechtssatz
Die Wortgruppe ", Errichtung von Kiosken, Tankstellen und sonstigen störenden Bauten" in §8 Abs1 DenkmalschutzG, BGBl 533/1923, idF des ArtI Z20 des Bundesgesetzes BGBl 473/1990, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Da der Kompetenzbegriff Denkmalschutz in Art10 Abs1 Z13 B-VG nicht näher umschrieben ist, ist er iS der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Auslegung von Kompetenztatbeständen ("Versteinerungstheorie"; siehe etwa VfSlg 10292/1984) in jener Bedeutung zu verstehen, die ihm im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kompetenztatbestandes Denkmalschutz nach dem damaligen Stand und der Systematik der Rechtsordnung zugekommen ist (zB VfSlg 7759/1976).
§8 DenkmalschutzG bildete in seiner Stammfassung keine rechtliche Grundlage dafür, zum Schutz der überlieferten Erscheinung oder der künstlerischen Wirkung unbeweglicher Denkmale Bauführungen, insbesondere die Errichtung von Gebäuden, in der Umgebung solcher Denkmale zu verbieten.
Eine gesetzliche Norm, die zur Erlassung behördlicher Verbote störender Bauten in der Umgebung von (unbeweglichen) Denkmalen ermächtigt, kann nicht als eine Regelung angesehen werden, die ihrem Inhalt nach systematisch dem durch den Stand der Gesetzgebung am 01.10.25 inhaltlich bestimmten Rechtsgebiet "Denkmalschutz" zugehört. Eine gesetzliche Regelung dieses Inhaltes war nämlich den in jenem Zeitpunkt in Geltung gestandenen Regelungen des Denkmalschutzrechtes ihrer Art nach fremd. Da somit ein denkmalschutzrechtlicher Ansatzpunkt fehlt, der einer "intrasystematischen" Weiterentwicklung zugänglich wäre, fällt eine derartige Regelung nicht unter den Kompetenztatbestand "Denkmalschutz".
Auf den Kompetenztatbestand "Denkmalschutz" können nicht auch Regelungen gestützt werden, die die Errichtung von Bauten, insbesondere von Gebäuden, in der Umgebung von unbeweglichen Denkmalen zu dem Zweck verbieten oder (auch nur) beschränken, um ein unbewegliches Denkmal gegen Beeinträchtigungen seiner überlieferten Erscheinung oder künstlerischen Wirkung zu schützen.
Die Zuständigkeit zur Erlassung derartiger Regelungen liegt in der gemäß Art15 Abs1 B-VG bei den Ländern verbliebenen Generalkompetenz zur Gesetzgebung.
Damit aber erweist sich die zusätzliche Anführung von Beispielen für "Veränderungen" in der Umgebung von unbeweglichen Denkmalen, die durch ArtI Z8 der Novelle BGBl 167/1978 in den §8 DenkmalschutzG aufgenommen und durch ArtI Z20 der Novelle BGBl 473/1990 unverändert aufrechterhalten wurde, wegen Fehlens einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes als verfassungswidrig.
(Anlaßfall B871/92, E v 12.10.95, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder, Kompetenz Bund - Länder Denkmalschutz, Denkmalschutz, VersteinerungstheorieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G50.1995Dokumentnummer
JFR_10049071_95G00050_2_01