RS Vfgh 1995/9/30 B1535/94

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Veröffentlicht am 30.09.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Sbg RaumOG 1977 §19 Abs3
Sbg RaumOG 1992 §24 Abs3
Sbg RaumOG 1992 §45 Abs10
Sbg RaumOG 1992 §45 Abs11

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung einer Einzelbewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses im Grünland; sachliche Rechtfertigung der Übergangsvorschrift des Sbg RaumOG 1992 betreffend die Weiterführung anhängiger Verfahren zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Wirkung des Flächenwidmungsplanes nach dem neuen Gesetz; keine Gleichheitsbedenken gegen das Verbot der Erteilung von Ausnahmebewilligungen für die Errichtung von nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten im Grünland

Rechtssatz

Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er für einen auf die Erlassung eines Bescheides gerichteten Parteienantrag im Falle der Änderung der Rechtslage die Anwendung des früheren oder des neuen Rechts anordnet.

Wohl aber bedürfen gesetzliche Regelungen aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes der sachlichen Rechtfertigung, mit denen der Übergang von der früheren auf eine neue Rechtslage im Rahmen ein und desselben Rechtsgebietes für verschiedene Verwaltungsakte unterschiedlich geregelt wird.

Sachliche Rechtfertigung der Übergangsvorschrift des §45 Abs10 Sbg RaumOG 1992, wonach Verfahren zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung ebenso wie die Verfahren zur Aufstellung oder Abänderung von Raumplänen als Verfahren im Sinne des Sbg RaumOG 1992 gelten und auf der Basis des jeweiligen Verfahrensstandes nach den Bestimmungen dieses (neuen) Gesetzes weiterzuführen sind.

Dem Verfassungsgerichtshof erscheint es einsichtig, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit ein bereits eingeleitetes Verfahren zur Erlassung eines Raumplanes (nach §45 Abs10 Sbg RaumOG 1992) anders als anhängige Verfahren zur Erteilung von Bauplatzerklärungen, Baubewilligungen oder ähnlichen individuellen Verwaltungsakten (gemäß §45 Abs11 Sbg RaumOG 1992) nach der neuen Rechtslage fortführen läßt.

Daß Dispense von der Wirkung eines Flächenwidmungsplanes gemäß §45 Abs10 Sbg RaumOG 1992 nach diesem Gesetz, sohin nach neuem Recht, zu erteilen oder zu verweigern sind, wiewohl es sich dabei um antragsbedürftige individuelle Verwaltungsakte handelt, ist von der Sache her damit zu rechtfertigen, daß es sich dabei um Ermessensakte handelt, die eigenständiger planerischer, also in die Zukunft weisender Entscheidungen bedürfen und daher raumordnungsrechtlich wie Raumpläne sogleich den Absichten und Vorstellungen des neuen Gesetzes folgen sollen.

In besonderer Weise bildete es ein von der früheren raumordnungsrechtlichen Situation abweichendes Anliegen des Gesetzgebers des Sbg RaumOG 1992, die Durchbrechung der Grünlandwidmungen durch ermessensweise gewährte Ausnahmebewilligungen einzuschränken, da die nach §19 Abs3 Sbg RaumOG 1977 erteilten Bewilligungen entgegen dem Konzept dieses Gesetzes nicht mehr nur auf ausnahmehafte Situationen beschränkt geblieben waren.

Keine Gleichheitsbedenken gegen §24 Abs3 Sbg RaumOG 1992 betreffend die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Wirkung eines Flächenwidmungsplanes.

Daß die Ausnahmemöglichkeit für nicht landwirtschaftliche Wohnbauten im Grünland durch die Z4 des §24 Abs3 überhaupt gestrichen, diese rechtliche Möglichkeit für andere Bauten als Wohnbauten in Grünland, also zB für Gewerbeobjekte, durch die Z5 des §24 Abs3 hingegen nur mit einer Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 begrenzt wurde, ist schon deswegen gerechtfertigt, weil die Problematik eines überschießenden Gebrauchs der Ermächtigung zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen in der Vergangenheit ausschließlich bei der Neuerrichtung von Wohnbauten im Grünland auftrat, und weil zum anderen für die ausnahmehafte Bewilligung sonstiger Bauten, insbesondere von Gewerbebauten, von der Sache her andere planerische Überlegungen zum Tragen kommen als bei Wohnbauten.

Daß ferner Wohnbauten im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Betrieben nach §24 Abs2 Sbg RaumOG 1992 vom Gesetzgeber anders behandelt werden als nicht landwirtschaftliche Wohnbauten im Grünland, ist dem Gesetzgeber nicht vorzuwerfen. In der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus nicht entgegengetreten werden kann, liegt es angesichts der besonderen wirtschaftlichen Situation der Landwirtschaft, innerhalb der landwirtschaftlichen Wohngebäude auch bauliche Maßnahmen für landwirtschaftliche Nebengewerbe und für die Privatzimmervermietung zuzulassen.

Die Wohnbautätigkeit im Grünland führt in besonderem Maße zur Zersiedelung der Landschaft und zu hohen Infrastrukturkosten, sodaß die Verhinderung derartiger Bauführungen durch ein absolutes gesetzliches Verbot ein legitimes, aus den genannten Gründen zu rechtfertigendes Anliegen bildete.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Übergangsbestimmung, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Ausnahmebewilligung (Raumordnung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1535.1994

Dokumentnummer

JFR_10049070_94B01535_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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