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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art26 Abs1Leitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung einer Wahl in die Gemeindevertretung; materielle Derogation der Verfassungsbestimmung des Vlbg GWG betreffend das Wahlalter für Wahlen in die Gemeindevertretungen durch das spätere - das Wahlalter herabsetzende - Vlbg VerfassungsG über eine Änderung der Landesverfassung; keine bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtung des Landesgesetzgebers zur Angleichung der Verfahrensbestimmungen über Stimmzettel und Kostentragung an die NRWO 1971; keine Bedenken gegen die Beschaffenheit und Bereitstellung der Stimmzettel nach dem Vlbg GWGRechtssatz
Der Anfechtung der Wahl in die Gemeindevertretung der Stadt Bludenz vom 02.04.95 wird nicht stattgegeben.
Das spätere Vlbg VerfassungsG über eine Änderung der Landesverfassung, LGBl 35/1994, hat der dazu in kontradiktorischem Widerspruch stehenden Verfassungsbestimmung des §5 Vlbg GWG - die zu Art13 Abs2 Vlbg Landesverfassung in der ursprünglichen Fassung gleichrangig hinzugetreten war - im maßgebenden Umfang materiell derogiert hat, indem das Wahlalter für Wahlen (auch) in die Gemeindevertretungen entsprechend herabgesetzt wurde. §5 Vlbg GWG kann in seinem hier interessierenden Teil nicht als spezielle Norm zu Art13 Abs2 Satz 1 Vlbg Landesverfassung in der ursprünglichen Fassung angesehen werden, denn Art13 Abs2 leg.cit. erstreckte sich jedenfalls auch auf die Wahl zu den Gemeindevertretungen, wie sich aus dem zweiten Satz dieser Verfassungsstelle unzweifelhaft ergibt, und die Wahlalter-Vorschrift des §5 Vlbg GWG erschöpfte sich in einer bloßen Wiederholung der schon in der Landesverfassung selbst getroffenen Regelung. Zwar kann der positivrechtlich Geltung besitzende Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" auf das Verhältnis einer späteren generellen zu einer früheren speziellen Norm nicht ohne weiteres angewendet werden (vgl. dazu VfSlg. 12.184/1989), doch liegt ein diese Regel ausschließender Fall nicht vor.
Es besteht keine bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtung des Landesgesetzgebers zur Angleichung der Verfahrensbestimmungen über Stimmzettel und Kostentragung an die Vorschriften der NRWO 1971, denn diese Vorschriften sind kraft Art26 Abs1 letzter Satz B-VG einfachgesetzlich zu erlassen; sie stehen also nicht im Rang eines Bundesverfassungsgesetzes, das Maßstab für entsprechende Regelungen in den Gemeindewahlordnungen wäre.
Daß bedruckte Stimmzettel den wahlwerbenden Gruppen von der Gemeinde kostenlos beizustellen seien, ist dem Vlbg GWG nicht zu entnehmen, denn die Kosten der Herstellung dieser bedruckten (von den kandidierenden Gruppen im Zug der Wahlwerbung ausgegebenen) Stimmzettel zählen - anders als die Kosten der amtlich beigestellten leeren (unbedruckten) Stimmzettel, die in der Wahlzelle aufliegen müssen - nicht zu den Wahlkosten des §57 Vlbg GWG, für die die Gemeinden aufzukommen haben.
Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die landesgesetzliche Regelung über die Beschaffenheit und Bereitstellung der Stimmzettel keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal sie keine gesetzliche Beeinträchtigung der Chancen der wahlwerbenden Parteien bedeutet, mögen diesen Gruppierungen auch unterschiedlich hohe private Mittel zur Bestreitung der Kosten ihrer Wahlwerbung zur Verfügung stehen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Derogation materielle, Wahlen, Wahlrecht aktives, StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:WI5.1995Dokumentnummer
JFR_10048998_95W00I05_01