RS Vfgh 1995/10/10 G21/95, G22/95, G44/95, G45/95, V23/95, V24/95, V49/95, V50/95

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
AufschließungsgebietsV der Gemeinde Techelsberg am Wörthersee vom 09.07.92
AufschließungsgebietsVen der Gemeinde Maria Wörth vom 30.10.90 und 30.03.93
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §2 Abs11
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §3 Abs5
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §7 Abs4
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §11 Abs2
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §99

Leitsatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Krnt GemeindeplanungsG über die Festlegung von Aufschließungsgebieten; keine sachliche Rechtfertigung der Freizeichnung der Erklärung zum Aufschließungsgebiet von ansonsten für Flächenwidmungspläne geltenden verfahrens- und aufsichtsrechtlichen Determinanten; Aufhebung von auf diese Bestimmung gestützten Aufschließungsgebietsverordnungen zur Gänze wegen Wegfalls der gesetzlichen Grundlage

Rechtssatz

Die rechtliche Beurteilung von Bescheiden hat sich nach der Rechtslage am Tage ihrer Zustellung (bei Vorstellungsbescheiden nach dem Tage der Zustellung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides) zu richten (s. im gegebenen Zusammenhang VfSlg. 11.059/1986, 11.462/1987, 12.755/1991).

§2 Abs11 Krnt GemeindeplanungsG 1982, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 13.04.92, Zl. Verf-212/1/1982, über die Wiederverlautbarung des GemeindeplanungsG 1970, LGBl. für Kärnten Nr. 51/1982, war verfassungswidrig.

Durch die Festlegung eines Grundstückes als Aufschließungsgebiet bleibt dessen Baulandwidmung an sich aufrecht. Durch die Festlegung als Aufschließungsgebiet wurden nach dem Krnt GemeindeplanungsG 1982 die Wirkungen der Baulandwidmung aber insofern beseitigt, als gemäß §11 Abs2 dieses Gesetzes keine landesgesetzlich vorgesehenen Bewilligungen zur Errichtung von Gebäuden und zur Errichtung von sonstigen baulichen Anlagen, ausgenommen solche, die der Aufschließung dienten, sowie bauliche Anlagen iS des §3 Abs5 leg.cit. erteilt werden durften.

Die primäre Rechtswirkung der Baulandwidmung, nämlich die Möglichkeit zur Bebauung, konnte letztlich suspendiert werden, wenn und solange die Voraussetzungen des §2 Abs11 Krnt GemeindeplanungsG 1982 vorlagen.

Die Festlegung als Aufschließungsgebiet nach dem Krnt GemeindeplanungsG 1982 unterscheidet sich von sonstigen im Flächenwidmungsplan festzulegenden Widmungen nicht derart, daß die völlige Freizeichnung der Erklärung zum Aufschließungsgebiet von den ansonsten für Flächenwidmungspläne geltenden verfahrens- und aufsichtsrechtlichen Determinanten sachlich gerechtfertigt wäre.

Die bloße Pflicht, eine Verordnung der Aufsichtsbehörde mitzuteilen, kommt einer Genehmigungspflicht nicht gleich; denn diesfalls bedarf die zu erlassende Verordnung der Genehmigung, also eines aktiven Mitwirkens, der Aufsichtsbehörde, um überhaupt Rechtswirksamkeit zu erlangen.

Es ist unsachlich, wenn der Gemeinderat durch die Festlegung eines Aufschließungsgebietes die Wirkungen einer unbefristeten Bausperre herbeiführen kann, ohne an nähere Determinanten gebunden zu sein. Die nach §2 Abs12 Krnt GemeindeplanungsG 1982 vorgesehene Verpflichtung, die Bezeichnung von Bauland als Aufschließungsgebiet aufzuheben, wenn der Grund für diese Festlegung weggefallen ist, bildet angesichts der sehr unbestimmten Formulierung dieser Regel kein ausreichendes Korrektiv.

Aufhebung der Ven der Gemeinde Maria Wörth vom 30.10.90, vom 30.03.93 und der Gemeinde Techelsberg am Wörthersee vom 09.07.92 über die Festlegung von Aufschließungsgebieten.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7951/1976, 9535/1982, 10.931/1986, VfGH 2.3.1995, G289/94, V297/94 u. a. Zlen.) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die die Verordnung trägt, zur Folge, daß die Verordnung hiermit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt (Art139 Abs3 lita B-VG). Dies hat nicht nur für den Fall der Aufhebung der maßgeblichen Gesetzesstelle als verfassungswidrig, sondern auch für den Fall zu gelten, daß sich der Verfassungsgerichtshof aufgrund ihres bereits erfolgten Außerkrafttretens auf den Ausspruch zu beschränken hatte, daß die maßgebliche Gesetzesbestimmung verfassungswidrig war (Feststellung der Verfassungswidrigkeit von §2 Abs11 Krnt GemeindeplanungsG 1982). Der Fall, daß eine Verordnung aufgrund einer bereits außer Kraft getretenen, als verfassungswidrig erkannten gesetzlichen Vorschrift erlassen wurde, ist demnach dem Fall des Art139 Abs3 lita B-VG gleichzuhalten.

(Anlaßfälle: E v 10.10.95, B 1975,1976/93, V91/93; E v 10.10.95, B1019/94; E v 10.10.95, B2272/93 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Zurückweisung eines Individualantrags mangels Legitimation).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), VfGH / Prüfungsmaßstab, Baurecht, Raumordnung, Planungsakte (Aufschließung), Bausperre, Verordnungserlassung, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Genehmigung (für Gemeindeverordnung), Flächenwidmungsplan, Aufschließungsgebiet, VfGH / Feststellung Wirkung, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G21.1995

Dokumentnummer

JFR_10048990_95G00021_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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