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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung der Verwertungs-, Einbringungs- oder Rückgabepflicht des Letztverbrauchers und des Vermischungsverbotes in der Verpackungsverordnung; Gesetzwidrigkeit der Rückgabeverpflichtung des Letztverbrauchers; keine Zulässigkeit der Festlegung einer solchen, bloß subsidiären Maßnahme unabhängig von der Erreichung bestimmter Ziele; keine Gesetzwidrigkeit des Vermischungsverbotes bei Einbringen von Verpackungen in Sammel- und Verwertungssysteme; gesetzliche Deckung eines solchen Abfalltrennungsgebotes; kein Konkurrenzverbot mit einer Zielverordnung; keine verfassungswidrige BlankettstrafnormRechtssatz
Da das Schreiben der Antragsteller vom 20.07.95 auf Grund der von ihnen so bezeichneten "Einschränkung des Prüfungsgegenstandes" als Zurückziehung ihres ursprünglichen Antrages zu verstehen ist, soweit mit ihm nicht die Aufhebung des §7 Abs1 sowie des §10 der VerpackVO begehrt wurde, war das Verordnungsprüfungsverfahren in seinem über die genannten Bestimmungen des §7 Abs1 und des §10 der VerpackVO hinausreichenden Umfang gemäß §19 Abs3 Z3 VfGG einzustellen.
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der VerpackVO.
Der Umstand, daß der Begriff des "Letztverbrauchers", für den die Rückgabepflicht im §7 Abs1 VerpackVO festgelegt ist, durch §1 Abs1 Z3 VerpackVO idF der Novelle BGBl. 334/1995 erweitert wurde, daß ferner im - nicht angefochtenen - §7 Abs2 VerpackVO durch die Novelle BGBl. 334/1995 die Ausnahmen von der Rückgabepflicht der Letztverbraucher erweitert wurden und daß schließlich im (neuen und ebenfalls nicht angefochtenen) §7 Abs3 VerpackVO idF der Novelle BGBl. 334/1995 eine Sonderregelung für Letztverbraucher geschaffen wurde, die Verpackungen oder verpackte Waren für den Betrieb ihres Unternehmens importieren, ändert nichts daran, daß §7 Abs1 VerpackVO nicht nur in seinem ursprünglichen Wortlaut unverändert geblieben ist, sondern daß auch seine sachliche und persönliche Geltung im Kern unberührt blieb. Keine Änderung des Prüfungsgegenstandes.
Das gleiche gilt für das Vermischungsverbot des §10 VerpackVO, dessen Wortlaut und Sinngehalt ebenfalls durch die Novelle BGBl. 334/1995 unberührt blieb.
(im Gegensatz dazu B v 26.09.95, V296/94 - Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung von Teilen des §3 und des §5 VerpackVO mangels Betroffenheit durch diese bereits außer Kraft getretenen Vorschriften; Änderung des Sinngehalts der angefochtenen Bestimmungen durch die Novelle).
Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Behauptungen sind alle drei Antragsteller - einschließlich der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien - Letztverbraucher verpackter Waren im Sinne der VerpackVO. Es trifft sie daher sowohl die Verwertungs-, Einbringungs- oder Rückgabepflicht nach §7 Abs1 VerpackVO als auch das Vermischungsverbot beim Einbringen von Verpackungen und Warenresten in entsprechende Sammel- und Verwertungssysteme gemäß §10 VerpackVO.
Daß die Erstantragstellerin, die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, als juristische Person im Falle des Zuwiderhandelns gegen die auch sie treffenden Verpflichtungen nach §7 Abs1 und §10 VerpackVO gemäß §9 VStG nicht selbst bestraft werden kann, ändert entgegen der Auffassung des Bundesministers für Umwelt nichts an den auch sie als Letztverbraucherin unmittelbar treffenden Verpflichtungen nach den zitierten Bestimmungen der VerpackVO.
§7 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackVO), BGBl. 645/1992, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die in §7 Abs2 Z3 AbfallwirtschaftsG vorgesehene Verpflichtung zur Rücknahme von Abfällen durch Hersteller oder Vertreiber einer Ware oder durch bestimmte Dritte sowie die dementsprechende Rückgabepflicht des Letztverbrauchers als Abfallbesitzer darf mangels Aufzählung im §7 Abs4 AbfallwirtschaftsG Gegenstand einer Maßnahmenverordnung nur im Rahmen eines Stufenplanes einer Zielverordnung nach §8 Abs1 und Abs2 Z5 AbfallwirtschaftsG sein. Ein derartiger Stufenplan wird zwar durch die VerpackungszielV für Verpackungen, die der VerpackVO unterliegen, angeordnet. Die Rückgabeverpflichtung der Letztverbraucher nach §7 Abs1 VerpackVO wird jedoch in keiner Weise von der Nichterreichung der in der VerpackungszielV fristgebunden bestimmten Ziele abhängig gemacht. Die Einbringungs- und Rückgabepflicht des Letztverbrauchers gemäß §7 Abs1 VerpackVO wurde sohin zusätzlich zur VerpackungszielV als sofort wirksame Maßnahme und neben den dort (im §4 VerpackungszielV) in Aussicht genommenen Verkehrs- und Abgabebeschränkungen für Verpackungen angeordnet. Eine derartige Anordnung widerspricht dem subsidiären Charakter einer nach §7 Abs2 Z3 AbfallwirtschaftsG zu verordnenden Maßnahme, wie er aus §7 Abs1 in Verbindung mit §8 Abs1 und §8 Abs2 Z5 AbfallwirtschaftsG im Falle der Erlassung einer Zielverordnung nach der letztzitierten Vorschrift abzuleiten ist.
Der Antrag, §10 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackVO), BGBl. 645/1992, als gesetzwidrig aufzuheben, wird abgewiesen.
Das Vermischungsverbot des §10 Abs1 VerpackVO verbietet das Einbringen bestimmter, nicht dem Geltungsbereich der VerpackVO unterliegender Verpackungen und Warenreste in die Sammel- und Verwertungssysteme für Verpackungen und Warenreste. Ein derartiges Abfalltrennungsgebot vermag sich jedenfalls auf §11 Abs3 AbfallwirtschaftsG zu stützen.
Keine unzulässige Maßnahmenverordnung nach §7 Abs2 Z7 AbfallwirtschaftsG.
Für eine Trennungsverordnung nach §11 Abs3 AbfallwirtschaftsG besteht kein "Konkurrenzverbot mit einer Zielverordnung" gemäß §8 AbfallwirtschaftsG.
Das Vermischungsverbot in §10 Abs1 und Abs2 VerpackVO ist nicht so unbestimmt umschrieben, daß es in Zusammenhalt mit §39 Abs1 litb Z6 AbfallwirtschaftsG nicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert sein dürfte. Diese Bedenken treffen schon deshalb nicht zu, weil nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts Blankettstrafnormen an sich rechtsstaatlich unbedenklich sind. In Grenzfällen bestehende Unklarheiten über das Ausmaß der Trennungspflicht nach §10 VerpackVO oder das Bestehen von Sammel- und Verwertungssystemen im Sinne der VerpackVO schließen daher eine Bestrafung nach §39 Abs1 litb Z6 AbfallwirtschaftsG von vornherein aus.
Ausreichende Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen.
Schlagworte
VfGH / Zurücknahme, Auslegung eines Antrages, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Individualantrag, Person juristische, Abfallwirtschaft, Verwaltungsstrafrecht, Blankettstrafnorm, Verpackungsverordnung, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V127.1994Dokumentnummer
JFR_10048988_94V00127_01