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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art89 Abs2Leitsatz
Aufhebung der Festlegung von Verwaltungsstrafen in bestimmter Höhe im Wr BaumschutzG mangels gerichtlicher Zuständigkeit bei aufgrund der vorgesehenen Strafhöhe in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallenden Delikten; Besonderheit der unabhängigen Strafgerichte auch im Verhältnis zu den Unabhängigen VerwaltungssenatenRechtssatz
Im §13 Abs2 Wr BaumschutzG, LGBl Nr 27/1974 idF der Novelle LGBl Nr 52/1993, wird die Wendung "mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 2,000.000,-- oder Arrest von zwei Wochen bis zu sechs Monaten" als verfassungswidrig aufgehoben.
Gemäß Art140 Abs1 iVm Art129a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates, wenn er gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat. Der Verfassungsgerichtshof hat hiebei die ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen (VfSlg 13424/1993 uvam). Tritt dabei die Unrichtigkeit des Standpunkts des unabhängigen Verwaltungssenates offen zu Tage, ist der Antrag unzulässig.
Zurückweisung der Primäranträge; Zulässigkeit der Eventualanträge.
Um für die Anlaßfälle zu G47/95 und G64/95 eine Rechtslage herzustellen, auf die die vorgetragenen Bedenken nicht mehr zutreffen, wäre es möglich, sowohl den Primäranträgen als auch den Eventualanträgen zu folgen. Würde jedoch iS der Primäranträge vorgegangen, so würde dies den Inhalt des bestehenden Gesetzes wesentlich stärker verändern als die von den Eventualanträgen vorgeschlagene Lösung. Die Aufhebung der Wortfolge "von S 10.000,-
- bis zu S 2,000.000,--" im §13 Abs2 Wr BaumschutzG würde nämlich bewirken, daß für die Z1 bis Z3 überhaupt keine Regelung über die Höhe der zu verhängenden Geldstrafe mehr vorhanden wäre, sodaß ArtVII EGVG zum Tragen käme (Geldstrafe bloß bis zu S 3.000,--). Der Prüfungsumfang wird daher in den Primäranträgen nicht zutreffend umschrieben. Wohl aber liegt jener, der den Eventualanträgen zugrundeliegt, auf der Linie der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl zB VfSlg 7376/1974, 11506/1987). Der nach einer allfälligen Aufhebung der in den Eventualanträgen umschriebenen Wendung verbleibende Gesetzestext wäre vollziehbar und verständlich, wenngleich sprachlich nicht geglückt.
Eine Strafdrohung von 2 Mio S fällt in den im Erkenntnis VfSlg 12282/1990 umschriebenen Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit (vgl VfSlg 12151/1989, S 104 und S 106; 12389/1990, S 614).
Im Erkenntnis VfSlg 12151/1989 heißt es, daß der Gesetzgeber von Verfassung wegen gehalten sei, mit der Ahndung bestimmter strafbarer Handlungen, "die (wegen ihrer Unabhängigkeit hiezu besonders qualifizierten) Organe der Strafgerichtsbarkeit" zu betrauen. Die in Klammern gesetzte Wendung ist als bloßes Nebenargument zu verstehen, das auf die - von der Verfassung angenommene - besondere Qualifikation der Strafgerichte gegenüber Verwaltungsbehörden hinweist. Diese Besonderheit der Strafgerichte besteht auch im Verhältnis zu jenen Verwaltungsbehörden, die als "unabhängige Verwaltungssenate" bezeichnet werden. Auch aus dem Schweigen des Verfassungsgesetzgebers im BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit über die höchstzulässige Verwaltungs-Geldstrafe ergibt sich der Schluß, daß eine Begrenzung der Geldstrafe im Verwaltungsstrafrecht nicht intendiert sei, nicht zwingend und ist nicht einmal naheliegend: Das zitierte BVG befaßt sich nämlich ausschließlich mit Freiheitsbeschränkungen, also insbesondere auch mit Freiheitsstrafen, in keiner Weise aber mit Geldstrafen.
Aufhebung der angefochtenen landesgesetzlichen Bestimmung wegen Widerspruchs zu Art91 B-VG.
Da der zu G115/93 gestellte Antrag des UVS Wien im Hinblick auf den hier (noch) maßgebenden §51 Abs7 VStG aF zurückzuweisen war und dieser Fall den Fällen G47/95 und G64/95, in denen eine Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle erfolgte, gleichzuhalten ist, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch für das beim UVS Wien zu Zl UVS-06/16/285/93 anhängige Berufungsverfahren herbeizuführen.
Da eine förmliche Einbeziehung des erst kürzlich zu G1371/95 eingelangten Antrages des UVS Wien GZ UVS-06/15/0058/94 in die anderen Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch für die beim UVS zu
GZ UVS-06/15/00558/94 anhängige Rechtssache herbeizuführen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Antrag, Baumschutz, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Strafrecht, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, VfGH / Aufhebung Wirkung, Strafgerichtsbarkeit (Kernbereich), VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Verfahren, Zuständigkeit der GerichteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G115.1993Dokumentnummer
JFR_10048871_93G00115_01