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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Auflösung einer zu Recht als Versammlung qualifizierten, nicht angemeldeten Straßenblockade sowie durch weitere Amtshandlungen (Festnahme und kurzfristige Anhaltung einiger Beschwerdeführer, behauptete Behinderung der telefonischen Kontaktnahme mit einem Rechtsanwalt) im Zuge dieser VersammlungsauflösungRechtssatz
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 9103/1981, 9303/1981, 9646/1983, 9783/1983, 10443/1985) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG), die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG und Art11 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten.
Wenn also die Feststellung des UVS, die bei ihm in Beschwerde gezogene Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei in Übereinstimmung mit dem VersammlungsG 1953 erfolgt, rechtsunrichtig ist, wird damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt.
Die Zusammenkunft während der Nachtstunden stand mit der unter Tags stattgefundenen Baustellen-Blockade, die nach ihrem Erscheinungsbild zweifelsfrei als Versammlung iSd VersammlungsG anzusehen war (zum Versammlungsbegriff des VfGH - Versammlung iSd VersammlungsG, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht - s zuletzt zB VfSlg 12161/1989 und die dort zitierte Vorjudikatur sowie E v 30.11.95, B2229/94) und die am nächsten Tag fortgesetzt werden sollte, in derart engem zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhang, daß all diese Aktivitäten als einheitliche Veranstaltung aufzufassen und sohin insgesamt als Versammlung zu werten waren.
Keine Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit durch die Auflösung einer nicht angemeldeten Versammlung einer Bürgerinitiative zur Verhinderung des Baus einer Umfahrungsstraße.
Die - allgemein zugängliche - Versammlung wurde gegen die Vorschriften des VersammlungsG veranstaltet, nämlich unter Verletzung der in dessen §2 Abs1 vorgesehenen Anzeigepflicht.
Die hier einschreitende Bezirkshauptmannschaft mußte nach dem Bild, das sich ihren Organen an Ort und Stelle bot, annehmen, daß eine tagelange Blockade von Straßenbauarbeiten beabsichtigt war. Die Auflösung der Versammlung war im Interesse von im Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgütern (zumindest der Aufrechterhaltung der Ordnung) notwendig.
Ob das in der Beschwerde dargelegte Anliegen der Demonstranten - nämlich, einen Straßenbau zu verhindern, für den angeblich noch nicht alle erforderlichen Bewilligungen vorgelegen seien - (in besonderem Maß) berechtigt war, ist bei Beurteilung der Zulässigkeit der Versammlungsauflösung nicht von Bedeutung.
Die Wahl des Zeitpunktes der Versammlungsauflösung (nämlich Mitternacht, als nur wenige Demonstranten, jedoch offenbar deren "harter Kern" anwesend waren) indiziert keine Gesetzwidrigkeit. Dieser Zeitpunkt erlaubte eine Durchsetzung der an sich rechtlich zulässigen Maßnahme mit verhältnismäßig geringen Mitteln und auf möglichst schonende Art
Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die Festnahme und kurzfristige Anhaltung zweier Beschwerdeführer im Zuge der rechtmäßigen Auflösung einer Versammlung.
Die beiden Beschwerdeführer kamen den wiederholten Aufforderungen, den Versammlungsort zu verlassen, nicht nach. Die Annahme des UVS, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festnahme und kurzfristige Anhaltung der Beschwerdeführer S und S seien gegeben gewesen, ist unter diesen Umständen zumindest vertretbar.
Keine Verletzung des Art8 EMRK durch die behauptete Behinderung der telefonischen Kontaktnahme des Beschwerdeführers mit einem Rechtsanwalt im Zuge der rechtmäßigen Auflösung einer Versammlung und der Festnahme und kurzfristigen Anhaltung des Beschwerdeführers; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung der Beschwerde in diesem Punkt durch den UVS.
Keine Verletzung im Recht auf Entscheidung durch ein Tribunal im Sinne des Art6 EMRK.
Diese Behauptung ist schon deshalb verfehlt, weil nicht einsichtig ist, was die beim UVS bekämpften (im Zuge der Auflösung einer Versammlung erfolgten) Amtshandlungen mit einem "civil right" oder einer "strafrechtlichen Anklage" zu tun haben sollen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Versammlungsrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, civil rights, Festnehmung, Polizeirecht - Wahl des gelindesten MittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B262.1995Dokumentnummer
JFR_10048870_95B00262_01