RS Vfgh 1995/12/1 G1306/95

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Veröffentlicht am 01.12.1995
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art18 Abs1
FremdenG §17 Abs3
FremdenG §27 Abs3

Leitsatz

Verstoß des ausnahmslosen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen die Ausweisung eines Fremden gegen das Rechtsstaatsprinzip aufgrund der generell einseitigen Belastung des Rechtsschutzsuchenden mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung

Rechtssatz

§17 Abs3 und der zweite Satz des §27 Abs3 des FremdenG, BGBl 838/1992, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Dem Verfassungsgerichtshof scheint es offenkundig, daß nicht alle im §17 Abs2 FremdenG genannten Tatbestände in jedem Fall die unverzügliche Durchsetzung der Ausweisung erfordern. Vielmehr gibt es zahlreiche Fallkonstellationen, in denen zwar öffentliche Interessen die Verfügung einer Ausweisung rechtfertigen, ohne daß jedoch automatisch deren sofortige Vollstreckbarkeit geboten erscheint.

Es steht außer Streit, daß der Gesetzgeber Ausweisungstatbestände umschreiben darf, hinsichtlich deren ein sofortiger Vollzug aus dringenden öffentlichen Interessen vorgesehen wird. Doch ist es nach der im Prüfungsbeschluß zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mit dem rechtsstaatlichen Prinzip nicht vereinbar, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Solches liegt hier aber vor, weil die faktische Möglichkeit der Rückkehr nicht die effiziente Rechtsschutzgewähr substituieren kann.

Der ausnahmslose Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen eine gemäß §17 Abs2 FremdenG ausgesprochene Ausweisung ist daher mit dem der Bundesverfassung immanenten rechtsstaatlichen Prinzip, namentlich mit deren Rechtsschutzsystem nicht vereinbar.

(Anlaßfall: E v 12.12.95, B367/95 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenrecht, Verwaltungsverfahren, Wirkung aufschiebende, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G1306.1995

Dokumentnummer

JFR_10048799_95G01306_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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