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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung von Verbotsbestimmungen hinsichtlich des Ablagerns von Abfällen und der Gewässerverunreinigung in einer ortspolizeilichen Verordnung einer Gemeinde wegen Verstoßes gegen bundes- und landesrechtliche Bestimmungen des Wasserrechts und des Abfallrechts; keine Rechtswidrigkeit des Badeverbots, des Kampierverbots sowie der Strafdrohung für dessen Nichtbeachtung und des Fahrverbots in derselben Verordnung aufgrund gesetzlicher Deckung bzw Erfüllung der Anforderungen für die Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen; das örtliche Gemeinschaftsleben störender Charakter einer ungehinderten Nutzung eines Baggersees zu BadezweckenRechtssatz
Die Wortfolge "das Ablagern oder Wegwerfen von Abfällen sowie jede Verunreinigung oder Gefährdung des Grundwassers" im §1 der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Nenzing vom 04.07.84 idF vom 02.04.85 wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Das unter die spezielle Strafdrohung des §3 gestellte Verbot "jede(r) Verunreinigung oder Gefährdung des Grundwassers" in §1 der angefochtenen Verordnung regelt den gleichen Gegenstand wie die GrundwasserschongebietsV des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. 49/1974, in Verbindung mit §35 WRG 1959. Es kann auch keine Rede davon sein, daß, - etwa im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 11726/1988 (S. 592) -, die wasserrechtlichen Mittel und Maßnahmen insbesondere nach Erlassung der Grundwasserschongebietsverordnung "nicht ausreichen, dem mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpften Mißstand, bzw. der 'aktuellen und konkreten Gefährdungssituation' abzuhelfen".
Verstoß gegen die GrundwasserschongebietsV im Verein mit dem WRG 1959 und gegen Art118 Abs6 B-VG im Verein mit §18 Abs2 Vlbg GdG 1985.
Das Verbot des Ablagerns oder Wegwerfens von Abfällen in der ortspolizeilichen Verordnung der Gemeinde Nenzing regelt den gleichen Gegenstand wie die Vorschrift des §29 Abs1 lita Vlbg AbfallG und verstößt damit nicht nur gegen diese Gesetzesbestimmung, sondern auch gegen Art118 Abs6 B-VG im Verein mit §18 Abs2 Vlbg GdG 1985.
Die allgemeinen, vom Landesvolksanwalt vorgetragenen Bedenken gegen die gesamte Verordnung der Gemeindevertretung von Nenzing treffen nicht zu, weil die ungehinderte Nutzung des Galinasee genannten Baggersees zu Badezwecken zu Mißständen und Gefahren geführt hat, die über die Grundwassergefährdung hinausgehen, durch die GrundwasserschongebietsV allein sohin nicht zureichend bekämpft werden können, und die einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Charakter besitzen.
Das Verbot des Badens im Galinasee bildet eine geeignete und notwendige Maßnahme im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei, die aus dem Badebetrieb erwachsenden Mißstände und Gefahren für das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde Nenzing hintanzuhalten.
Keine Rechtswidrigkeit des Kampierverbotes und der Strafdrohung für dessen Nichtbeachtung.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß auf Grund des dargestellten Sachverhaltes Interessen der Sicherheit, der Gesundheit, des Schutzes des Naturhaushaltes sowie des Landschaftsbildes durch die Aufstellung von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften am Galinasee gröblich verletzt werden, sodaß die Gemeindevertretung gemäß §14 Abs2 Vlbg CampingplatzG ermächtigt war, das genannte Verbot durch Verordnung auszusprechen. Daß sich die angefochtene Verordnung selbst in ihrem Eingangssatz auch hinsichtlich der "Aufstellung von Zelten, Wohnwagen und ähnlichen beweglichen Unterkünften" fälschlicherweise auf die Ermächtigung zur Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen gemäß §17 des Vlbg GdG 1965 beruft, vermag keine Rechtswidrigkeit des betreffenden Verbotes zu bewirken. Ist doch eine Verordnung immer schon dann rechtmäßig, wenn sie nur überhaupt eine gesetzliche Grundlage besitzt, gleichgültig ob sie die richtige gesetzliche Grundlage angibt (Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 1988, 943; Havranek/Unkart, Ortspolizeiliches Verordnungsrecht, in: Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, 3.9.2.4).
Art118 Abs6 B-VG ermächtigt die Gemeinden nur, die Nichtbefolgung der in ortspolizeilichen Verordnungen enthaltenen Anordnungen zu Verwaltungsübertretungen zu erklären, nicht aber dazu, die Strafhöhe festzulegen. §3 der angefochtenen Verordnung bildet in Ansehung der Strafhöhe daher eine bloße Wiederholung des (seinerzeit bei Erlaß der Verordnung geltenden) §90 Abs3 des Vlbg GdG 1965 ohne (selbständigen) normativen Charakter. Äußert aber §3 der angefochtenen Verordnung keine selbständige normative Bedeutung, dann gilt auch für die Übertretung des von der Gemeindevertretung ausgesprochenen Verbotes des Kampierens "an bestimmten Orten", hier "im Gelände des ... Galinasees", nicht die Strafdrohung für die Übertretung ortspolizeilicher Verordnungen nach §98 Abs3 Vlbg GdG 1985, sondern die Strafbestimmung des §19 Abs1 lite in Verbindung mit §19 Abs2 Vlbg CampingplatzG.
Keine Rechtswidrigkeit des Verbotes des "unbefugte(n) Befahren des genannten Gebietes mit Kraftfahrzeugen oder (des) Abstellen(s) solcher Fahrzeuge".
Gerade dadurch, daß die Gemeindevertretung als Verordnungsgeber "das unbefugte Befahren des genannten Gebietes" verboten hat und die Übertretung dieses Verbotes zur Verwaltungsübertretung nach §18 Abs1 Vlbg GdG 1985 erklärte, machte sie deutlich, daß damit nicht ein straßenpolizeilich nach der StVO relevantes Verhalten verboten wird, sondern das Befahren jener Grundflächen und das auf diesen Grundflächen stattfindende Abstellen von Kraftfahrzeugen untersagt werden, die gerade nicht zu den öffentlichen Verkehrsflächen zählen.
Schlagworte
Gemeinderecht, Verordnung ortspolizeiliche, Wasserrecht, Reinhaltung der Gewässer, Abfallbeseitigung, Campingplätze, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, Straßenpolizei, Sicherheitspolizei örtliche, BadeverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V42.1994Dokumentnummer
JFR_10048796_94V00042_01