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50 GewerberechtNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Verletzung im Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit durch die Versagung der Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis für die Ausübung des Handelsgewerbes; verfassungswidrige Gesetzesauslegung durch bloßes Abstellen auf die "Erfüllung" des BefähigungsnachweisesRechtssatz
Mit dem angefochtenen Bescheid wird dem Beschwerdeführer die Nachsicht von der Erbringung eines Befähigungsnachweises versagt. Ein solcher Bescheid greift in den Schutzbereich des Grundrechtes auf Erwerbsfreiheit ein (vgl etwa VfSlg 13094/1992 und VfGH 02.03.95, G272/94).
Ist nach dem Bildungsgang oder der bisherigen Tätigkeit anzunehmen, daß der Nachsichtswerber die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (die sogenannte volle Befähigung) besitzt und liegen keine Ausschlußgründe vor, ist ihm die Nachsicht ohne weiteres zu erteilen. Verfügt der Nachsichtswerber aber bloß über eine hinreichende tatsächliche Befähigung, also "immerhin über so viel Kenntnisse und Erfahrungen ..., die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden", so ist ihm die Nachsicht zu erteilen, wenn die Erbringung des Befähigungsnachweises aus in der Person des Nachsichtswerbers gelegenen Gründen nicht zumutbar ist oder örtliche Gegebenheiten für die Nachsichtserteilung sprechen (VfGH 01.12.95, V104/95).
Indem die belangte Behörde ihren - die Gewährung eben dieser Nachsicht versagenden - Bescheid ausschließlich auf den Umstand stützt, daß der Beschwerdeführer den in §155 Abs2 GewO 1994 geregelten Befähigungsnachweis nicht "erfüllt", verkennt sie den Inhalt des §28 Abs1 GewO 1994. Denn es ist der wesentliche und angesichts des Grundrechts der Erwerbsfreiheit auch erforderliche Gehalt der Nachsichtsregelung, daß sie einen Gewerbeantritt auch dann ermöglicht, wenn zwar nicht der für das angestrebte Gewerbe vorgesehene Befähigungsnachweis erbracht wurde, aber die notwendige Befähigung auf andere Weise sichergestellt ist.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde erst in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, daß "der Besuch von Kursen ohne abschließende Prüfung ... keinen Nachweis für den Erwerb von für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnissen" darstellt, und damit versucht, ein weiteres Begründungselement quasi nachzureichen, das im Hinblick darauf auf seine Tauglichkeit nicht zu prüfen war.
Schlagworte
Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Befähigungsnachweis, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis), Bescheidbegründung, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B3338.1995Dokumentnummer
JFR_10039774_95B03338_01