RS Vfgh 1996/2/26 B2141/95

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art7
RL-BA 1977 §5

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Beschränkung der Möglichkeit von Rechtsanwälten zur Eingehung bestimmter Dienstverhältnisse mit anwaltlichen Tätigkeiten; Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über eine Rechtsanwältin wegen Beschäftigung einer bei einer Mietervereinigung tätigen Konzipientin; Verstoß gegen das im Strafrecht geltende Analogieverbot durch die dadurch erfolgte Erstreckung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung auf Rechtsanwälte als Dienstgeber

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen die Beschränkung der Möglichkeit von Rechtsanwälten zur Eingehung von Dienstverhältnissen, deren Gegenstand auch anwaltliche Tätigkeiten umfaßt, in §5 RL-BA 1977.

Der von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogene §5 erster Satz RL-BA 1977 verfolgt den Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes bei seiner Berufsausübung zu wahren und sicherzustellen, daß es in der Ingerenz des Rechtsanwaltes liegt, das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes ohne Beeinträchtigung zu wahren (vgl VfSlg 13233/1992, S 407), welches immer gefährdet sein kann, wenn sich das Risiko einer Pflichtenkollision abzeichnet; gerade das ist aber der Fall, wenn ein Rechtsanwalt ein Dienstverhältnis eingeht, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten sind, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes gehören, es sei denn, daß der Dienstgeber ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwaltsgesellschaft ist. Die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes ist es, die die Bestimmung des §5 erster Satz RL-BA 1977 im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht verfassungswidrig macht.

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über eine Rechtsanwältin wegen Beschäftigung einer bei einem mit Mietrechtsangelegenheiten befaßten Verein tätigen Rechtsanwaltsanwärterin.

Die belangte Behörde hat, indem sie vermeint, nach §5 erster Satz RL-BA 1977 sei Rechtsanwälten untersagt, einen Rechtsanwaltsanwärter zu beschäftigen, der auch eine Tätigkeit ausübt, die von einem Rechtsanwalt als Dienstnehmer nicht ausgeübt werden dürfte, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides §5 erster Satz RL-BA 1977 einen Inhalt unterstellt, der die Norm als Konkurrenzschutz verstehen ließe und damit verfassungswidrig machen würde: Ein generelles Verbot für Rechtsanwälte, bei anderen Unternehmen teilzeitbeschäftigte Juristen als Rechtsanwaltsanwärter aufnehmen zu dürfen, nur deshalb, weil ein solches Unternehmen auch Leistungen erbringt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes gehören, wäre, wenn daraus weder ein Abhängigkeitsnoch ein Kollisionsrisiko erwächst, als Konkurrenzabwehr zu sehen und würde einen unverhältnismäßigen und somit verfassungswidrigen Eingriff in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung darstellen.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den Anwendungsbereich dieser Bestimmung auch auf eine Rechtsanwältin als Dienstgeber einer Rechtsanwaltsanwärterin erstreckt, die gleichzeitig in einem Dienstverhältnis für ein Unternehmen tätig ist, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen. Dieser Vorgangsweise der belangten Behörde mangelt jedoch jegliche gesetzliche Grundlage, sodaß sie als Verstoß gegen das im Strafrecht allgemein geltende Analogieverbot zu werten ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Erwerbsausübungsfreiheit, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Analogie, Strafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B2141.1995

Dokumentnummer

JFR_10039774_95B02141_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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