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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch die neuerliche Vorschreibung eines Kostenbeitrags für Therapie und Unterbringung an einen Behinderten im zweiten Rechtsgang nach aufhebendem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs; verfassungswidrige Bewertung der Familienbeihilfe als Einkommensbestandteil; Widerspruch zur Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofs im ersten RechtsgangRechtssatz
In dem daraufhin im zweiten Rechtsgang durchgeführten Ermittlungsverfahren hat die Behörde zwar die im ersten Rechtsgang unterlassenen Feststellungen getroffen.
Die Behörde kam aber dennoch zum Ergebnis, daß auch die Familienbeihilfe als Einkommensbestandteil anzusehen sei, weil nach dem Gesetz nur die Unterbringung und Verpflegung gesichert sein müsse, nicht aber auch sonstige Aspekte des Lebensunterhaltes.
Mit dieser Meinung setzt sich die Behörde im Ersatzbescheid in Widerspruch zur Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes, die dieser im ersten Rechtsgang mit Erkenntnis VfSlg. 13.052/1992 geäußert hat. Aus dem zitierten Erkenntnis ergibt sich, daß §43 Abs3 iVm §11 Abs3 Wr BehindertenG dann verfassungswidrig wäre, wenn diese sozialhilferechtliche Kostenbeitragsregelung den von der Behörde angenommenen Inhalt hätte, weil dann nämlich die Intention des §12a FamilienlastenausgleichsG 1967 (wonach die Familienbeihilfe eben nicht als eigenes Einkommen des Kindes gilt und dessen Unterhaltsanspruch nicht mindert) unterlaufen und damit das Berücksichtigungsgebot (vgl. VfSlg. 8831/1980, S 426; 10.292/1984, S 762 ff.; 10.306/1984, S 817 f.) mißachtet würde.
Verfassungskonforme Interpretation des §43 Abs3 Wr BehindertenG dahingehend, daß es sich zum einen um eine solche "Maßnahme" i.S. des §43 Abs1 handeln muß, die mit der Unterbringung und Verpflegung des Behinderten verbunden ist; zum anderen, daß diese Maßnahme dessen Lebensunterhalt (s. §12 des Wr SozialhilfeG, LGBl. 11/1973) vollends sicherstellt.
Ein Verstoß gegen §87 Abs2 VfGG bedeutet nicht nur die Verletzung einer einfachgesetzlichen Bestimmung. Wenn die Behörde bei der Erlassung des Ersatzbescheides von der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes abgeht, ohne hiezu durch eine seither eingetretene Änderung der Rechtslage befugt zu sein, begeht sie eine Verletzung desselben verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wie mit dem Bescheid, dessen Aufhebung zur Erlassung des Ersatzbescheides führte (VfSlg. 6043/1969, 6869/1972, 8397/1978, 8571/1979, 10.220/1984, 11.052/1986, 13.375/1993).
(ebenso hinsichtlich §43 Wr BehindertenG 1986: E v 04.03.96, B1866/95).
Schlagworte
Behinderte, Familienlastenausgleich, Kompetenz Bund - Länder, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH), VfGH / Prüfungsmaßstab, Auslegung verfassungskonforme, ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B1867.1994Dokumentnummer
JFR_10039774_94B01867_01