RS Vfgh 1996/2/29 KI-8/94

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Veröffentlicht am 29.02.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art133 Z1
B-VG Art138 Abs1 litb
B-VG Art144 Abs2
B-VG Art144 Abs3
VwGG §34
VfGG §46 Abs1
AVG §67c

Leitsatz

Negativer Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof infolge unrechtmäßiger Zurückweisung einer Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof nach Ablehnung und Abtretung dieser durch den Verfassungsgerichtshof; Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate betreffend die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, unabhängig von der Art der Formulierung des Antrags der Parteien an den Verwaltungssenat; nach - infolge Nichterfüllung von (Form-)Vorschriften des VwGG einzuräumender - Mängelbehebung Einstellung des Verfahrens oder Eintritt in die Sache

Rechtssatz

Ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof besteht dann, wenn entweder die Ablehnung der Behandlung und die Abtretung der Beschwerde unzulässig waren oder der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit in dieser Rechtssache zu Unrecht verneint hat (vgl E v 14.12.94, KI-1/94).

Wenn der Verwaltungsgerichtshof vermeint, daß ein Beschluß des Verfassungsgerichtshofes nach Art144 Abs2 B-VG als Sachentscheidung anzusehen sei, kann ihm nicht beigepflichtet werden, denn die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde hat notwendig zur Folge, daß es zu einem meritorischen Abspruch iSd Art144 Abs1 B-VG, der einen Kompetenzkonflikt ausschließen würde, gar nicht mehr kommen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate zuständig, die über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (so zB auch Festnahmen) absprechen, sofern in der Beschwerde (auch) die Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften behauptet wird.

Die Anführung bestimmter verfassungsgesetzlicher Normen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des bekämpften Verwaltungsaktes ergeben soll, enthebt weder den unabhängigen Verwaltungssenat der Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung des angefochtenen Aktes noch beschränkt sie das Recht der Partei, die über ihre Beschwerde ergehende Entscheidung des Verwaltungssenates gemäß Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof (wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) oder gemäß Art130 Abs1 lita B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof (wegen Verletzung einfachgesetzlich verbürgter Rechte, zB Verfahrensrechte) anzufechten. Aus der Art der Formulierung des vor dem unabhängigen Verwaltungssenat gestellten Antrages für sich allein läßt sich daher keinesfalls herleiten, daß die Partei durch den später erlassenen angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt worden sein konnte.

Auch der Umstand, daß eine nach Art144 Abs3 B-VG abgetretene Beschwerde im Zeitpunkt der Abtretung nicht den (Form-)Vorschriften des VwGG entspricht, kann die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufheben, wie sich aus §34 Abs2 VwGG ergibt; in einem solchen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer vielmehr die Möglichkeit zur Mängelbehebung innerhalb einer zu setzenden Frist einzuräumen.

Ob und inwieweit dem Mängelbehebungsauftrag nachgekommen wurde, hat allein der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen; je nach dem Ergebnis dieser Beurteilung wäre entweder das Verfahren mit Berufung auf §34 Abs2 letzter Halbsatz VwGG einzustellen oder in die weitere Behandlung der Sache einzutreten gewesen.

Entscheidungstexte

  • K I-8/94
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 29.02.1996 K I-8/94

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Abtretung, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, VfGH / Zuständigkeit, Unabhängiger Verwaltungssenat, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:KI8.1994

Dokumentnummer

JFR_10039771_94K00I08_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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