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91 Post-und FernmeldewesenNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Keine Verletzung der Rundfunkfreiheit durch Versagung der Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines Fernsehsenders auf dem Wiener Donauturm; Unzulässigkeit der Verbreitung von terrestrischem Fernsehen für andere Veranstalter als den ORF aufgrund Untätigkeit des Gesetzgebers; gänzliches Untätigbleiben des Gesetzgebers vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgreifbar; RundfunkG und RegionalradioG im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziellRechtssatz
Die notwendigen bundesgesetzlichen Ermächtigungen zur Veranstaltung von Rundfunk bestehen derzeit für die Veranstaltung von Hörfunk und Fernsehen durch den ORF in Form des RundfunkG und für die Verbreitung von Hörfunkprogrammen auf terrestrischem Weg durch andere Programmveranstalter in Form des RegionalradioG. Für passiven und (nach dem E v 27.09.95, G 1256-1264/95, ab 01.08.96 auch für) aktiven Kabelrundfunk (in der Form von Hörfunk und Fernsehen) enthält die im Range eines Bundesgesetzes stehende RundfunkV eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung. Eine gesetzliche Ermächtigung für die Verbreitung von terrestrischem Fernsehen besteht - sieht man von der Ermächtigung an den ORF durch das RundfunkG ab - derzeit nicht.
Eine Untätigkeit des Gesetzgebers kann vom Verfassungsgerichtshof dann auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden, wenn es sich bloß um ein partielles Unterlassen handelt, wenn also ein Zusammenhang zu einer bestehenden Norm gegeben ist, der es erlaubt, diese als Bezugspunkt für die Auswirkungen anzusehen, die das gesetzgeberische Unterlassen nach sich zieht.
Das RundfunkG und das RegionalradioG ermächtigen den ORF und unter bestimmten Voraussetzungen regionale und lokale Hörfunkveranstalter zur Verbreitung von Rundfunk auf terrestrischem Wege. Mit diesen Regelungen ist aber weder die Intention verbunden, ein Verbot für Rundfunkdarbietungen durch andere Veranstalter auszusprechen, noch ist dies dem Gesetzgeber objektiv zusinnbar. Die belangte Behörde hatte bei Erlassung des bekämpften Bescheides weder Vorschriften des RundfunkG noch solche des RegionalradioG anzuwenden, und auch für den Verfassungsgerichtshof sind sie in diesem Verfahren nicht präjudiziell.
Ein nicht bloß partielles Unterlassen, sondern ein gänzliches Untätigbleiben des Gesetzgebers kann vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden: Weder Art140 B-VG noch eine andere Bestimmung der Bundesverfassung ermächtigt den Gerichtshof, den Gesetzgeber zu einem Gesetzgebungsakt zu verpflichten. Sollte die in der Beschwerde angenommene Verfassungswidrigkeit der Unzulässigkeit der Veranstaltung terrestrischen Fernsehens durch andere Veranstalter als den ORF - eine Konsequenz, die sich möglicherweise aus der Entscheidung des EGMR Informationsverein Lentia ua gegen Österreich ergeben könnte - tatsächlich konventionswidrig sein, kann angesichts dieser Konstellation nur eine Entscheidung des EGMR Abhilfe bewirken; nur dieser ist daher zuständig, die Frage des Vorliegens einer solchen Konventionswidrigkeit mit verbindlicher Wirkung zu klären.
Schlagworte
Rundfunk, Fernsehen terrestrisches, Fernmelderecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunkfreiheit, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B2674.1994Dokumentnummer
JFR_10039695_94B02674_01