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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Werkstudenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes; verfassungskonforme Interpretation hinsichtlich des Vorliegens eines Studiums und der Unterscheidung von anderen Tätigkeiten und Schulungen geboten; Zweck des AlVG nicht in Finanzierung einer Ausbildung; keine Verfassungswidrigkeit auch der Ausnahmeregelung vom Ausschluß des Bezuges von Arbeitslosengeld für Werkstudenten unter den Voraussetzungen der vorhergehenden gleichzeitigen Ausübung von Studium und Beruf für längere Zeit und der nicht freiwilligen Beendigung des Dienstverhältnisses für Zwecke des Studiums im Hinblick auf Zielsetzung des AlVG; Begriff "längere Zeit" ausreichend determiniertRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge auf Aufhebung von Teilen des §12 Abs3 litf AlVG und des §12 Abs4 AlVG.
Da in §12 Abs4 das Wort "Studium" die Wortfolge zusammenfaßt, die in §12 Abs3 litf angefochten ist, wäre es bei Zutreffen der Bedenken auch nicht möglich, nur einzelne Worte der angefochtenen Wortfolge aufzuheben, sodaß auch insofern der angefochtenen Gesetzesstelle des §12 Abs3 litf Präjudizialität zukommt.
Keine Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Werkstudenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes in §12 Abs3 litf und §12 Abs4 AlVG; verfassungskonforme Interpretation möglich; Vorliegen eines Studiums nur bei umfassender Inanspruchnahme des Studierenden, bei der er aufgrund seiner zeitlichen Beanspruchung ungeachtet grundsätzlicher Arbeitswilligkeit ein Arbeitsverhältnis nur ausnahmsweise eingehen kann. Auslegung hinsichtlich einer Unterscheidung zwischen Studium und Nach- und Umschulung sowie Lehrkursen zur Erweiterung der fachlichen oder Allgemeinbildung geboten.
Daß kulturelle, karitative, sportliche oder gesundheitliche Betätigungen mit einem Studium begrifflich und inhaltlich nicht vergleichbar sind, bedarf keiner weiteren Begründung. Geht es aber nicht um ein Studium im genannten Sinn, sondern um eine Nach- oder Umschulung oder um den Besuch von Lehrkursen zur Erweiterung der fachlichen oder Allgemeinbildung, also um Tätigkeiten, die eine zeitliche Inanspruchnahme des Arbeitslosen im geringeren Ausmaße als im Zuge eines Studiums bewirken, ist ein Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes vom Gesetz ebensowenig verfügt wie bei den vom Verwaltungsgerichtshof genannten Betätigungen.
Die Zielvorstellung, die §12 Abs4 AlVG zugrundeliegt, nämlich die grundsätzliche Unzulässigkeit des Bezuges von Arbeitslosengeld während des Studiums, läßt es nicht als unsachlich erscheinen, wenn im Fall des Werkstudenten vom Gesetzgeber gefordert wird, daß jemandem, der einem Studium nachgeht, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nur dann zusteht, wenn er während des Studiums für längere Zeit in dem der Arbeitslosigkeit vorausgegangenen Dienstverhältnis gestanden ist.
Der Zweck des AlVG liegt nicht darin, eine Ausbildung zu finanzieren; das AlVG verfolgt lediglich den Zweck, den aus dem Verlust eines Arbeitsplatzes resultierenden Einkommensverlust auszugleichen.
Bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung sind alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz die Verwaltungsbehörde ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl VfSlg 8395/1978 und die dort genannte Vorjudikatur, sowie 11499/1987).
Kein Verstoß des Begriffs "längere Zeit" (hinsichtlich der gleichzeitigen Ausübung von Beruf und Studium) als Voraussetzung für die Ausnahme vom Ausschluß von Werkstudenten vom Bezug des Arbeitslosengeldes in §12 Abs4 AlVG gegen das Determinierungsgebot.
Der Gesetzgeber geht mit dem Ausdruck "längere Zeit" nicht von der gesamten Zeit, die für eine Anwartschaft iSd §14 AlVG erforderlich ist, aus. Andererseits steht die angefochtene Regelung in einem inneren Zusammenhang mit dem Begriff "Studium". Die Vereinbarkeit von Studium und Dienstverhältnis ist das zentrale Kriterium. Daher reicht der bloße Beginn eines Studiums, allenfalls kurz vor oder erst nach Beendigung einer Beschäftigung, nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich, daß der Studierende in einem Zeitraum von mehr als einem Semester gleichzeitig ein Studium betrieben und in einem Dienstverhältnis gestanden hat, weil erst dann feststeht, daß Studium und Arbeitsverhältnis nebeneinander möglich sind. Ohne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzugreifen, hält es der Verfassungsgerichtshof keineswegs für zutreffend, daß der Gesetzgeber die Entscheidung, was unter einer längeren Zeit zu verstehen ist, an die Behörde delegiert hat; die Behörde kann vielmehr anhand der im Gesetz vorgegebenen Kriterien die angegriffene Gesetzesstelle auslegen.
Keine Unsachlichkeit der Voraussetzung für den Bezug des Arbeitslosengeldes durch einen Werkstudenten, daß er die Beschäftigung nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig beendet hat, in §12 Abs4 AlVG.
Die angegriffene Regelung des §12 Abs4 leg cit betrifft gegenüber §11 AlVG (freiwillige Auflösung des Dienstverhältnisses) Werkstudenten, die eine Beschäftigung zwecks Fortsetzung des Studiums lösen. Daß der Gesetzgeber auch Werkstudenten iSd §12 Abs4 AlVG, die eine Beschäftigung aufgeben, um ein Studium fortzusetzen, Arbeitslosengeld nicht zubilligt, ist jedenfalls nicht unsachlich.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, Arbeitslosenversicherung, Auslegung, Auslegung verfassungskonforme, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G72.1995Dokumentnummer
JFR_10039693_95G00072_01