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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch gesetzwidrige Zusammensetzung des belangten Landesvergabeamtes; Ergänzung der landesgesetzlichen Bestimmung über die Zusammensetzung dieser Kollegialbehörde durch eine EU-Richtlinie hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation des Vorsitzenden; Erlassung des bekämpften Bescheides unter Vorsitz einer Person ohne abgeschlossene juristische Berufsausbildung und ohne Qualifikation zum RichteramtRechtssatz
Nach Art2 Abs8 der für die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen der hier maßgeblichen Art relevanten Richtlinie des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) vom 21.12.89, 89/665/EWG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, muß unter anderem zumindest der Vorsitzende einer für eine Nachprüfung zuständigen Instanz, die kein Gericht ist, die juristischen und beruflichen Qualifikationen eines Richters besitzen. Diese Vorschrift ist nach Rechtsnatur, Systematik und Wortlaut (vgl. EuGH 04.12.74, Rs 41/74, van Duyn, Slg. 1974, 1337) geeignet, unmittelbare Wirkungen zu entfalten. Die Regelung ist nämlich unbedingt und inhaltlich hinreichend genau formuliert (vgl. zB EuGH 05.04.79, Rs 148/78, Ratti, Slg. 1979, 1629; 19.01.82, Rs 8/81, Becker, Slg. 1982, 53) und vermittelt dem einzelnen ein Recht auf Überwachung durch ein in bestimmter Weise zusammenzusetzendes unabhängiges Organ (vgl. EuGH 15.05.86, Rs 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651). Die Vorschrift ist daher und weil der Tiroler Landesgesetzgeber, der zu ihrer Umsetzung in das nationale Recht schon seit Inkrafttreten des EWR-Abkommens am 01.01.94 verpflichtet war, sie nicht entsprechend umgesetzt hat, insoweit unmittelbar anwendbar (vgl. neben den zitierten Entscheidungen auch EuGH 22.06.89, Rs 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839).
Die genannte Richtlinienbestimmung hat infolgedessen die lita des §6 Abs1 Tir VergabeG so ergänzt, daß der Vorsitzende des Landesvergabeamtes eine mit den Angelegenheiten des Vergabewesens vertraute und zum Amt eines Richters juristisch und beruflich qualifizierte Person sein muß, wobei auf die Qualifikation des Richters im nationalen Recht verwiesen ist.
Das Landesvergabeamt hat den bekämpften Bescheid unter Vorsitz des Landesbaudirektors beim Amt der Tiroler Landesregierung, eines Diplomingenieurs, der weder über eine abgeschlossene juristische Berufsausbildung noch über sonstige Voraussetzungen zum Richteramt verfügt, erlassen.
Schlagworte
Vergabewesen, EU-Recht Richtlinie, Kollegialbehörde, Anwendbarkeit EU-Recht, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B2477.1995Dokumentnummer
JFR_10039388_95B02477_01