RS Vfgh 1996/6/12 G1300/95

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Veröffentlicht am 12.06.1996
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Index

56 Öffentliche Wirtschaft
56/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG §6
Austro ControlG ArtI §7 Abs1
Austro ControlG ArtI §10 Abs2

Leitsatz

Keine aktuelle Betroffenheit des Antragstellers durch die Einräumung eines Regresses iSd Amtshaftungsgesetzes an den Bund gegenüber Dienstnehmern der Austro Control GmbH mangels Vorliegen eines Schadensfalles; Legitimation zur Antragstellung hingegen hinsichtlich der als Eigentumsbeschränkung zu bewertenden Übernahme der Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zur Austro Control GmbH; keine Verletzung des Eigentumsrechts durch diese "Überleitung" der Bediensteten aufgrund Vorliegen eines öffentlichen Interesses und mangels Widerspruchs zum Gebot der Verhältnismäßigkeit; kein gänzlicher Ausschluß der Haftung des Bundes für die Ansprüche der Bediensteten aufgrund der Anwendbarkeit des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes; keine Verletzung des Gleichheitssatzes mangels einer Verpflichtung zum gleichen Vorgehen in allen Fällen von Ausgliederungen und zur Einräumung eines Wahlrechts an die Dienstnehmer

Rechtssatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des ArtI §10 Abs2 Austro ControlG mangels aktueller Betroffenheit des Antragstellers.

Es ist dem Antragsteller zwar einzuräumen, daß diese Bestimmung in seine Rechtssphäre eingreift, doch werden seine rechtlichen Interessen im Hinblick auf die bloß abstrakte Inanspruchnahmemöglichkeit nur potentiell, nicht hingegen aktuell beeinträchtigt. Von einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre könnte erst dann gesprochen werden, wenn zumindest feststeht, daß ein Schaden iSd Amtshaftungsgesetzes eingetreten ist. Daß ein (Anlaß für die Geltendmachung eines Ersatzanspruches bietender) Schaden tatsächlich eingetreten ist, wird aber vom Antragsteller nicht behauptet.

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des - eine Eigentumsbeschränkung darstellenden - ArtI §7 Abs1 Austro ControlG hinsichtlich der Übernahme der Bediensteten des Bundesamts für Zivilluftfahrt als Dienstnehmer der Austro Control GmbH (zum Eingriff ins Eigentumsrecht durch Auswechslung eines Vertragsteiles siehe E v 09.03.95, G28/93).

Die Auswechslung des Dienstgebers erfolgte unmittelbar durch eine zwingende gesetzliche Norm, die für den Dienstnehmer unabhängig von seiner Zustimmung wirksam wurde; er hatte nach ArtI Austro ControlG auch nicht die Möglichkeit, dies durch eine entsprechende Erklärung für sich auszuschließen.

Die "Überleitung" der am 31.12.1993 beim Bundesamt für Zivilluftfahrt beschäftigten Bediensteten in ArtI §7 Abs1 Austro ControlG ist im öffentlichen Interesse gelegen und entspricht dem aus dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er es im Hinblick auf die Aufgabenstellung der Austro Control GmbH (gegen deren Betrauung mit Aufgaben, die vormals vom Bundesamt für Zivilluftfahrt wahrgenommen worden sind, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (VfGH 14.03.96, B2113/94 ua.)) aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, deren Verbesserung die Ausgliederung dienen soll, für im öffentlichen Interesse geboten erachtete, die Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt insoweit, als sie vormals in einem - privatrechtlichen - Dienstverhältnis zum Bund gestanden sind, in ein Dienstverhältnis zu der neu gegründeten Gesellschaft überzuleiten.

Von einem gänzlichen Ausschluß der Haftung des Bundes als ehemaliger Arbeitgeber für die Ansprüche jener Bediensteten des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ArtI §7 Austro ControlG in einem Dienstverhältnis zum Bund befanden, kann nicht die Rede sein.

Das Austro ControlG enthält zwar selbst keine Haftungsregelung, jedoch ergibt sich die - vom Antragsteller vermißte - Haftung aus §6 des Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG.

Gemäß §1 Abs1 Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Dies trifft auf das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu.

Insbesondere hindert auch der Umstand, daß im Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG von "Betriebsübergang" und von "Veräußerer" bzw. "Erwerber" die Rede ist, dessen Anwendbarkeit auf die hier vorliegende Konstellation nicht: Zum einen erfüllt die (ehemalige) Dienststelle Bundesamt für Zivilluftfahrt jene Kriterien, die für einen "Betrieb" iSd §3 ff. Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG maßgeblich sind. Zum anderen ergibt sich aus dem Zweck dieses Gesetzes, daß dem Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG auch der Fall der "Ausgliederung" als eine der möglichen Arten des "Betriebsübergangs" zu unterstellen ist.

Eine Einschränkung der Haftung des (ehemaligen) Dienstgebers Bund insoweit, als dieser nur für solche Abfertigungsansprüche, die dem Dienstnehmer aus seinem Arbeitsverhältnis zum Bund zugestanden wären, wenn dieses zum Zeitpunkt des Übergangs beendet worden wäre, und für Ansprüche aus einer Betriebspension nur mit jenem Betrag haften soll, der den Pensionsanwartschaften im Übergangszeitpunkt entspricht, erscheint weder unsachlich noch unverhältnismäßig.

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch ArtI §7 Abs1 Austro ControlG.

Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er im Falle der Übertragung öffentlicher Aufgaben an sogenannte ausgegliederte Rechtsträger die bisher mit der Aufgabenwahrnehmung betrauten Dienstnehmer in das ausgegliederte Unternehmen überführt oder ob er den Dienstnehmern ein Wahlrecht einräumt, sofern er in jenem Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (also die Überleitung im öffentlichen Interesse liegt und in die Rechtsposition des übergeführten Dienstnehmers nicht unverhältnismäßig eingegriffen wird) und seine Entscheidung sich auch sonst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben hält, wobei insbesondere das verfassungsrechtliche Effizienzgebot von Bedeutung sein könnte. Keinesfalls gebietet es der Gleichheitsgrundsatz, in allen Fällen von Ausgliederungen gleich vorzugehen und den Dienstnehmern stets ein Wahlrecht einzuräumen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Luftfahrt, Amtshaftung, Schadenersatz, Haftung, Ausgliederung, Austro Control, Eigentumsbeschränkung, Arbeitsvertrag, Dienstrecht, öffentliches Interesse, Bedienstete (Austro Control)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G1300.1995

Dokumentnummer

JFR_10039388_95G01300_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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