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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der als absolute Sperre wirkenden Festlegung einer Höchstzahl für Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer; Unverhältnismäßigkeit und Unsachlichkeit einer solchen undifferenzierten Regelung aufgrund der Unmöglichkeit der Berücksichtigung öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen; keine Verfassungswidrigkeit mehr seit der Einfügung einer Ausnahmeregelung für bestimmte Ausländer und einer Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung zur Überziehung der BundeshöchstzahlRechtssatz
Die Regelung über die Notwendigkeit einer Bewilligung zur Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und jene Regelungen, die näher bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Bewilligung zu erteilen und unter welchen Voraussetzungen sie zu versagen ist, greifen in die durch die Eigentumsgarantie des Art5 StGG im Rahmen dieses Grundrechts mitgewährleistete Privatautonomie ein. Der Gesetzgeber muß bei derartigen Regelungen darauf achten, daß ein billiger Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denen des Grundrechtsschutzes des einzelnen hergestellt wird. Der Gesetzgeber darf daher Regelungen, die sich als Beschränkungen des Grundrechts erweisen, in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nur vorsehen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig und unsachlich ist (vgl. VfSlg. 12.227/1989, 13.659/1993, VfGH E v 09.03.95, G28/93, sowie die im Prüfungsbeschluß zitierten Entscheidungen des EGMR).
Zwar ist die Festlegung von Kontingenten und Höchstzahlen im Ausländerbeschäftigungsrecht an sich unbedenklich, doch wird eine derartige Regelung dann unverhältnismäßig und unsachlich, wenn eine Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zugunsten von aufenthaltsberechtigten Ausländern bei Erreichen einer bestimmten absoluten und nicht weiter differenzierenden Höchstzahl ausnahmslos unmöglich ist und im Gesetz auch keine Vorkehrungen getroffen sind, die es der Behörde ermöglichen, innerhalb der Höchstzahl oder bei deren Überschreitung etwa nach der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Bedeutung der beantragten Bewilligungen zu differenzieren, sodaß die Erteilung beispielsweise auch dann nicht zulässig ist, wenn die Beschäftigung im öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interesse geradezu erforderlich erscheint. Die als absolute Sperre wirkende Bestimmung des §4 Abs7 AuslBG idF BGBl. 450/1990, die in dieser Fassung bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. 257/1995 galt, war angesichts dessen verfassungswidrig.
Die Regelung des §4 Abs7 AuslBG in der geltenden Fassung BGBl. 257/1995 hält der Verhältnismäßigkeits- und Sachlichkeitsprüfung stand und entspricht damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Die Sperrwirkung des §4 Abs7 AuslBG ist nämlich derzeit keine absolute mehr:
Zum einen sind von ihr alle Ausländer ausgenommen, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem AlVG erworben haben.
Zum anderen ermächtigt die mit der Novelle BGBl. 257/1995 der Regelung über die Bundeshöchstzahl hinzugefügte Bestimmung des §12a Abs2 AuslBG zur Erlassung einer Verordnung, mit der die Überziehung der Bundeshöchstzahl ermöglicht wird. Diese Überziehungsmöglichkeit wurde durch die schon zitierte BundeshöchstzahlenüberziehungsV, BGBl. 278/1995, so ausgestaltet, daß sie die Arbeitsmarktverwaltung bei verfassungs- und gesetzeskonformer Vollziehung in die Lage versetzt, in Fällen von besonderem öffentlichen (gesellschaftlichen, gesamtwirtschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen) Interesse Beschäftigungsbewilligungen zu erteilen, wenngleich es auch nach dieser Rechtslage in Einzelfällen zu Härten kommen kann (die bei generellen Regelungen eben nicht vermeidbar sind, vgl. etwa VfSlg. 8871/1980).
Erst mit dem Wirksamwerden dieser Verordnung am 22.04.95 wurde eine Rechtslage geschaffen, die hinsichtlich der Gründe für eine Überziehung und hinsichtlich der Zahl der insgesamt zulässigen Beschäftigungsbewilligungen die Arbeitsmarktverwaltung in die Lage setzte, bei besonderen Umständen zusätzliche Bewilligungen zu erteilen.
Es war daher auszusprechen, daß §4 Abs7 AuslBG idF BGBl. 257/1995 bis zum Ablauf des 21. April 1995 verfassungswidrig war.
Die im hg. Verfahren G88/96 von der beim Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Gesellschaft für ihre Äußerung begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es im Fall von aufgrund von Gerichtsanträgen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe der antragstellenden Gerichte ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für ihre Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. zB VfSlg. 10.832/1986).
(Anlaßfälle: E v 21.06.96, B1659/95; E v 20.06.96, B1367/95; E v 21.06.96, B783/95; E v 20.06.96, B729/95 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung, Verordnungserlassung, Sanierung, VfGH / Sachentscheidung Allg, VfGH / Kosten, Privatautonomie, EigentumseingriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G1395.1995Dokumentnummer
JFR_10039387_95G01395_01