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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung der beschwerdeführenden Gemeinderäte im passiven Wahlrecht durch die aufsichtsbehördliche Auflösung eines Gemeinderates bereits vor der Konstituierung aufgrund der rechtmäßigen Annahme der Besetzung von weniger als zwei Drittel der Gemeinderatsmandate; keine Bedenken gegen die die aufsichtsbehördliche Auflösung des Gemeinderates regelnde Bestimmung der Nö GdO 1973; sachliche Rechtfertigung aufgrund mangelnder Funktionsfähigkeit des Gemeinderates bei Nichterreichung einer ZweidrittelmehrheitRechtssatz
Keine Bedenken gegen die die Auflösung des Gemeinderates regelnde Bestimmung des §94 Abs2 Nö GdO 1973.
Mag auch §48 Abs2 Nö GdO 1973 ausnahmsweise ein geringeres Präsenzquorum für Gemeinderatsbeschlüsse vorsehen, so läßt sich §48 Abs1 Nö GdO 1973 doch entnehmen, daß der Gesetzgeber die Funktionsfähigkeit des Gemeinderates davon abhängig macht, daß mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder für die Beschlußfassung zur Verfügung stehen. Ebenso wie es sachlich gerechtfertigt ist, daß der Gesetzgeber - schon um eine zu starke Verzerrung der durch die Wahl bewirkten Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat zu verhindern - ein Präsenzquorum von zwei Drittel seiner Mitglieder fordert, ist unter dem Aspekt des dem Gleichheitssatz innewohnenden Sachlichkeitsgebotes auch nichts dagegen einzuwenden, daß der Gesetzgeber die Landesregierung in §94 Abs2 Nö GdO 1973 verpflichtet, den Gemeinderat aufzulösen, wenn jene, für die Funktionsfähigkeit ausschlaggebende Zweidrittelmehrheit nicht mehr erzielt werden kann, weil "weniger als zwei Drittel der Gemeinderatsmandate besetzt sind". Die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Gemeinderates durch eine dafür erforderliche Mindestbesetzung bildet auch einen besonderen, im Sinne des Art119a Abs7 B-VG gelegenen Grund, an dessen Vorliegen der Gemeinderechtsgesetzgeber die Auflösung des Gemeinderates knüpfen kann (vgl auch schon in diesem Sinn - wenn auch ohne Bedachtnahme auf den Gleichheitssatz - VfSlg 7568/1975).
Selbst wenn ein gewisser Wertungswiderspruch zwischen den vom Gesetzgeber angeordneten Voraussetzungen einer Selbstauflösung des Gemeinderates (gemäß §20 Abs2 Nö GdO 1973) einerseits und einer aufsichtsbehördlichen Auflösung (gemäß §94 Abs2 Nö GdO 1973) andererseits bestehen sollte, läßt sich daraus angesichts der dargestellten Notwendigkeit, im Wege des Aufsichtsrechtes die Funktionsfähigkeit des Gemeinderates sicherzustellen, nicht die Verfassungswidrigkeit des §94 Abs2 Nö GdO 1973 ableiten.
Daß schließlich der Gemeinderat als ein kraft Art119a B-VG (vgl insbesondere dessen Abs7) der Staatsaufsicht unterworfener allgemeiner Vertretungskörper anderen Konstitutionsbedingungen unterliegt als die verfassungsrechtlich mit der formellen Gesetzgebung betrauten allgemeinen Vertretungskörper, bedarf keiner näheren Darlegung.
Keine Verletzung der beschwerdeführenden Gemeinderäte in ihrem Recht auf Mandatsausübung (passives Wahlrecht) durch die aufsichtsbehördliche Auflösung des Gemeinderates gemäß §94 Abs2 Nö GdO 1973.
Der Gesetzgeber, der die Landesregierung ausdrücklich dazu ermächtigte, den Gemeinderat aufzulösen, wenn während der Funktionsperiode weniger als zwei Drittel der Gemeinderatsmandate besetzt sind, ging davon aus, daß ein neugewählter Gemeinderat aufzulösen ist, wenn schon vor Beginn seiner Funktionsperiode mehr als ein Drittel der Gemeinderatsmandate unbesetzt ist und diese auch nicht (durch Nachrücken von Ersatzmitgliedern) besetzt werden können. Eine Anordnung des Inhalts, daß ein von vornherein unzureichend besetzter Gemeinderat erst nach seiner (- wie immer auch erfolgten -) Konstituierung aufzulösen ist, wäre nicht nur sinnlos; sie ist auch dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Nachdem sohin sieben neugewählte Bewerber des Gemeinderates Zwölfaxing am 15.05.95 ihren Mandatsverzicht erklärten und gleichzeitig ihre Streichung aus der Liste der Ersatzmänner verlangten sowie deren Ersatzmitglieder ihre Streichung aus der Liste der Ersatzmitglieder begehrten, hat die Niederösterreichische Landesregierung zu Recht angenommen, daß im neugewählten Gemeinderat der Gemeinde Zwölfaxing "weniger als zwei Drittel der Gemeinderatsmandate besetzt sind" und diesen demgemäß aufgelöst.
Schlagworte
Gemeinderecht, Gemeinderat, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Wahlen, Wahlrecht passives, MandatsausübungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B2164.1995Dokumentnummer
JFR_10039387_95B02164_01